Joshua Landis, Direktor des Instituts für Nahoststudien an der Universität Oklahoma, bringt in seinem Syrien-Blog am Wochenende eine interessante Geschichte: Demnach sei der Administrator der "Syrian Revolution 2011 Facebook Page" , der mit 130.000 Mitgliedern wichtigsten Verteilerin von Infos über den Aufstand in Syrien, an die Öffentlichkeit getreten - und habe sich als in Schweden lebender, sehr aktiver Muslimbruder entpuppt. Warum auch nicht, könnte man sagen, aber auf seiner eigenen Facebook-Seite zeigt sich Fida ad-Din Tarif as-Sayyid Isa - so heißt der Mann - als Hardcore-Islamist, der auch Drohungen gegen Alawiten - deren "Kinder bis in die Ewigkeit bezahlen werden" - ins Netz stellt.

Die Muslimbrüder haben mehr als einen Grund, sich an dem alawitischen Regime der Assads rächen zu wollen: 1982 schlug Hafiz al-Assad, der Vater des jetzigen Präsidenten, eine Revolte der Religiösen in der Stadt Hama blutig nieder, es gab mindestens zehntausend Tote. Die verbleibenden syrischen Muslimbrüder gingen ins Exil und in den Untergrund - und dass sich dieser in den vergangenen Jahren radikalisiert hat, ist bekannt. Kann man den Willen zum Umsturz nachvollziehen, so beinhaltet die Ideologie aber auch eine religiös begründete Hetze gegen die Alawiten. Zum großen Schrecken in gemischt sunnitisch-alawitischen Familien beeinflusst dieser Alawiten-Hass auch immer mehr Mainstream-Sunniten.

Die Alawiten sind Angehörige der einzigen überlebenden gnostischen Sekte des Islam. (Immer wieder werden die arabischsprechenden Alawiten fälschlicherweise mit den türkischen Aleviten gleichgesetzt: Die Aleviten sind ursprünglich Zwölferschiiten - wie die Schiiten im Iran -, aber aus einer mystischen Tradition mit einer anderen Entwicklung). Ursprünglich wurden die Alawiten als "Nusairier" bezeichnet, nach ihrem Gründer Ibn Nusair (gestorben 2. Hälfte 9. Jahrhundert). Sie selbst bevorzugen jedoch den erst im 20. Jahrhundert geläufig gewordenen Namen "Alawi" , der eine Referenz an Ali Ibn Abi Talib, dem Cousin und Schwiegersohn des Propheten Muhammads, enthält und sie so in die Nähe von "normalen" Schiiten rückt. Es gibt auch schiitische Tendenzen, die Alawiten als eine der schiitischen Schulen anzuerkennen. Es handelt sich jedoch um eine synkretistische Geheimreligion mit Glaubensinhalten - wie der Seelenwanderung -, die sie teilweise von anderen Muslimen völlig unterscheiden. Radikale sunnitische Islamisten haben schon Schwierigkeiten, Schiiten als Muslime anzuerkennen, geschweige denn Alawiten. (Gudrun Harrer, DER STANDARD, Printausgabe, 26.4.2011)