Allan Meltzer (83) ist US-Ökonom und Professor für Politische Ökonomie an der Carnegie Mellon University. Er ist der Autor von "A History of the Federal Reserve" und war wirtschaftlicher Berater der Präsidenten John F. Kennedy und Ronald Reagan.

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Standard: Im Juni läuft das Anleihen-Kaufprogramm (QE2) der Federal Reserve aus. Sind die Märkte genügend liquide, um das Ende des 600-Milliarden-Dollar-Programms zu verkraften?

Meltzer: Der Markt hat genügend Liquidität. QE2 war ein Fehler der Federal Reserve. Die Notenbank schenkt den täglichen Bewegungen an den Märkten zu viel Beachtung, und den langfristigen Folgen ihrer Politik zu wenig.

Standard: Hat die Geldpolitik hier ihr Mandat überschritten?

Meltzer: Absolut. Die Notenbank hat sich in der Fiskalpolitik geübt, und das hätte sie der Regierung überlassen sollen. Die Fed hätte sich nicht in die Schuldenpolitik einmischen sollen, indem sie Anleihen der Regierung kauft.

Standard: Gibt es Widerstand innerhalb der Notenbank? Immerhin sitzen zwölf lokale Notenbanken mit am Tisch.

Meltzer: Es gibt große Unterschiede. Die Federal Reserve Bank in Chicago ist auf Linie mit Chairman Ben Bernanke. Dallas, Philadelphia, Richmond, St. Louis und Kansas City stimmen dagegen nicht mit ihm überein. Diese Meinungsvielfalt ist gut. Unglücklicherweise hat der Präsident die meiste Macht in seinen Händen.

Standard: Sollten die regionalen Notenbanken daher mehr Macht bekommen?

Meltzer: Nein, was wir brauchen, ist eine Regel. Wir können uns nicht auf die Politik oder die Presse verlassen, die Notenbank effektiv zu überwachen. Denken Sie nur an die jüngste Vergangenheit, die Fed hat intensiv an der aktuellen Krise mitgewirkt und schafft derzeit den Boden für eine kommende Inflation. Der einzige Weg wäre eine Regel, eine Formel, um die Zinspolitik zu steuern.

Standard: Ist das nicht naiv, denn gerade die Fed wurde doch stets von Einzelpersonen dominiert, etwa Maestro Alan Greenspan.

Meltzer: Das ist eine arrogante Sichtweise. Greenspan hat über lange Jahre trotz einem starken Wachstum für niedrige Inflationsraten gesorgt. Sein Fehler war, dass er nach 2002 zu wenig restriktiv war. Dennoch hat er erfolgreich Politik gemacht für viele Jahre. Doch das Notenbanksystem sollte nicht auf starken Persönlichkeiten fußen. Die Federal Reserve braucht eine Regel. Sie würde den Notenbankern vorschreiben, dass sie sich um die Inflation kümmern müssten und die Fluktuation der Produktion minimieren sollen. Ein regelbasiertes System würde sicher nicht perfekt funktionieren, besser aber schon. (Lukas Sustala, DER STANDARD; Print-Ausgabe, 26.4.2011)