Zweisprachige Ortstafeln gibt es in der Südsteiermark noch keine. Das einzige Schild, das auch auf Slowenisch beschriftet ist, ist jenes des Kulturzentrums der steirischen Slowenen - des Pavelhauses.

Foto: Benedikt Narodoslawsky

Philosophieprofessor Wolfgang Gombocz war einer der Ersten, der sich für die Rechte der steirischen Slowenen einsetzte. 1993 schickte ihm Franz Fuchs eine Briefbombe.

Foto: Wolfgang Gombocz/Vretscher

Zwei Weltkriege haben tiefe Spuren in der Grenzregion hinterlassen. Diese Tafel am Rathausturm der südsteirischen Bezirkshauptstadt Bad Radkersburg erinnert heute noch an die Geschehnisse nach dem Ersten Weltkrieg, als die Stadt von jugoslawischen Truppen des SHS-Staates besetzt wurde. Die Tafel fordert seine Bevölkerung auf: "Seid deutsch - bleibt einig!"

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Die Kaserne in der Bezirkshauptstadt Bad Radkersburg ist nach Hans Mickl benannt, der den Abwehrkampf gegen die jugoslawischen Besatzungstruppen angeführt hat.

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Viele steirische Slowenen bekennen sich nicht zu ihrer Herkunft. Nur noch wenig weist darauf hin, dass es in der Südsteiermark eine Minderheit gibt - wie diese zweisprachige Steintafel über der Radkersburger Frauenkirche Maria Hilf.

Foto: Benedikt Narodoslawsky

Wolfgang Gombocz begrüßt sein Gegenüber auf Slowenisch mit "Dobro jutro", obwohl seine Muttersprache Deutsch ist. An seinen Pullover hat sich der graubärtige Philosophieprofessor einen roten Ansteckbutton geheftet; "Träumer" steht darauf. Der gebürtige Südsteirer wünscht sich, zweisprachig zu sein, aber die slowenische Sprache beherrscht der 65-Jährige nur so gut wie ein Kind. "Meine erste Sprache ist leider Deutsch", sagt Gombocz. Sein Vater war Slowene, seine Mutter hatte slowenische Wurzeln, Gombocz selbst wuchs aber hauptsächlich deutschsprachig auf, denn Slowenisch sprach man daheim nur selten. Der Philosophieprofessor fühlt sich jener Minderheit zugehörig, die Österreich über all die Jahre vergessen hat: der steirischen Slowenen.

Die Burgenlandkroaten bekamen ihre zweisprachigen Schilder im Sommer 2000, die Kärntner Ortstafelfrage wurde am vergangenen Dienstag gelöst. Seit dieser Woche sind die steirischen Slowenen somit die einzige Minderheit, die bislang noch nicht zu ihrem Recht gekommen ist, obwohl sie ausdrücklich im Staatsvertrag erwähnt wurde.

Kleinste "Staatsvertragsminderheit"

Im Artikel VII des Staatsvertrags heißt es: "Österreichische Staatsangehörige der slowenischen und kroatischen Minderheiten in Kärnten, Burgenland und Steiermark genießen dieselben Rechte auf Grund gleicher Bedingungen wie alle anderen österreichischen Staatsangehörigen." Konkret bedeutet das: das Recht auf Elementarunterricht in der eigenen Sprache, eigene Mittelschulen, die eigene Sprache als zusätzliche Amtssprache und zweisprachige topographische Aufschriften (Ortstafeln).

Bei der Volkszählung 2001 gaben 2195 Steirer Slowenisch als ihre Umgangssprache an, 452 davon kamen aus den Grenzbezirken, in denen sich die drei Siedlungsgebiete der Minderheit befinden: Radkersburg-Umgebung, Leutschach, Soboth. Die steirischen Slowenen sind die kleinste der drei "Staatsvertragsminderheiten".

Briefbombe von Franz Fuchs

Seit den 80er-Jahren hat Gombocz für die Rechte der Minderheit gekämpft. 1993 schickte Franz Fuchs dem streitlustigen Professor eine Briefbombe. Über viele Jahre saß Gombocz größter Gegner aber nicht in Gralla, wo das Bombenhirn wohnte, sondern im Grazer Landhaus, wo die steirischen Landespolitiker tagen. Jahrzehntelang schwiegen die Mandatare die Minderheit tot und sprachen ihr alle Rechte ab.

Die Geschichte der steirischen Slowenen ist eine Geschichte über David gegen Goliath, in der David verliert. Im Steirerland gibt es bis heute weder Ortstafel, noch slowenischsprachige Mittelschule, noch ein zweisprachiges Amt. Bis zum Jahr 2001 hatte die Steirische Landesregierung ihre "Staatsvertragsminderheit" nicht einmal anerkannt. Dass die VP-Regierung unter Frau Landeshauptmann Waltraud Klasnic die Existenz der Minderheit nach 45 Jahren Ignoranz schließlich doch akzeptierte, wird unter den Funktionären des Artikel-VII-Kulturvereins - der einzigen Organisation der steirischen Slowenen - als bisher größter Erfolg gefeiert.

"Wenn du nicht brav bist, kommen die Partisanen"

In den Jahren vor der Anerkennung war die Stimmung an der steirisch-slowenischen Grenze frostig; zwei Weltkriege hatten tiefe Spuren in der Grenzregion hinterlassen. "Österreicher darf nur der sein, der Deutsch spricht", lautete das ungeschriebene Gesetz. "Meine Großmutter hat gesagt: 'Wenn du nicht brav bist, kommen die Partisanen und bringen dich über die Grenze", erzählt Michael Petrowitsch, Mitglied im Artikel-VII-Kulturverein.

Wer Slowenisch sprach, galt im besten Fall als "Jugo", im schlimmsten Fall als feindlicher Partisan. Viele schämten sich für ihre eigene Sprache - und taten alles, um nicht als Slowene abgestempelt zu werden. Eine große Reportage im Monatsmagazin Datum beschreibt, warum viele slowenischsprachige Steirer ihre Herkunft noch bis heute verleugnen.

Privatinitiative gegen Schamgefühl

1988 wollte eine kleine Gruppe von steirischen Slowenen dieses Sich-selbst-Verschweigen ändern. Als sie den Artikel-VII-Verein in einem Gasthaus an der Grenze gründen wollte und der Wirt von den Absichten seiner Gäste erfuhr, wurden sie ausgeladen. "Deshalb haben wir den Verein in Graz gegründet", sagt der Grazer Professor Gombocz, damals eines der Gründungsmitglieder.

"Der Artikel-VII-Kulturverein ist in Wahrheit eine Identitätsfindungsgeschichte", sagt Michael Petrowitsch, der slowenische Wurzeln hat, aber die slowenische Sprache erst an der Grazer Universität erlernte. Über den Verein meint er: "Wir versuchen als Privatinitiative das Schamgefühl der steirischen Slowenen aufzuweichen." Seit Slowenien zur EU gehört, hat sich vieles zum Positiven verändert; an der Grenze weht heute ein freundlicherer Wind. Mittlerweile ist der Kulturverein mit seinem Veranstaltungszentrum - dem Pavelhaus im südsteirischen Laafeld - auch im rauen Grenzland etabliert.

Vielfalt statt Volksgruppe

Seit der Anerkennung der steirischen Minderheit bekommt der Verein nicht nur Geld aus Slowenien, sondern auch aus Wien und Graz. Damit wurde auch die Geschichte des österreichisch-slowenisch-ungarischen Grenzraumes aufgearbeitet, die im Pavelhaus in einer Dauerausstellung zu sehen ist. Sie handelt von fruchtbarer Vielfalt und wüster Ausgrenzung; von Minderheiten der Deutschen, Juden, Roma, Slowenen und Ungarn. "Ich will ein Bekenntnis zu dem seit dem 6. Jahrhundert gewachsenen Substrat", richtet Petrowitsch dem steirischen Landtag aus. "Das fehlt mir."

Seine Forderungen an die Politik sind milde. Er verlangt gar keine zweisprachigen Ortstafeln, slowenischsprachige Zusatzschilder würden ihm genügen. Die wären schon alleine aus touristischen Gründen vorteilhaft, sagt Petrowitsch. "Und irgendwann möchte ich auch einen zweisprachigen Kindergarten im Grenzbereich sehen." Es gehe ihm nicht um die Volksgruppe, sondern um kulturelle Vielfalt, in der jeder sein könne, wie er ist. "Volksgruppe ist ein Begriff des 19. Jahrhunderts, von dem man Abstand nehmen sollte. Dieser Wir-sind-Wir-Gedanke ist mir schon immer auf den Keks gegangen." (Benedikt Narodoslawsky, derStandard.at, 29.4.2011)