Wien - Es war einmal ein Papa, der hatte zwei Söhne: der eine ein blonder Flegel, der andere ein schmallippiger Melancholiker. Beide hatten sie Anspruch auf die Nachfolge ihres in Ehren ergrauten Vaters, der allerdings berechtigte Zweifel hegte, ob seine beiden Buben Thor und Loki wohl den schwer erkämpften Frieden aufrecht halten würden. Und es kam, wie es kommen musste: Der hitzköpfige Thor verging sich als Erster an der väterlichen Order. Der heiße Odem Odins pustete den Hammer schwingenden Hunk vom Götterhimmel auf die Erde, in unsere Gegenwart.
Irdische Heiterkeit
Sobald er dort aufschlägt, wird der Film, der seinen Namen trägt, endlich halbwegs lustig. Der heilige Ernst und der donnernde Tonfall, mit dem man unter prächtig verkleideten Sagengestalten miteinander verkehrt, sind nämlich höchstens unfreiwillig komisch.
Wie sich das für ein Fantasyabenteuer gegenwärtig gehört, muss Thor uns außerdem in 3-D beglücken. Vor allem im ersten Teil - der Vorgeschichte des Sünden- und Erdenfalls - haben wir es folglich mit einem digitalen Animationsfilm zu tun. Heere von winzigen Figuren sorgen in Massenszenen für visuelles Rhabarbern. Selbst die Stars werden in diesem Ambiente ordentlich zurückgestutzt. Inmitten der güldenen Königsstadt und in den fahlen Felswüsten, wo die Eisriesen hausen, drohen sie zu verschwinden.
Auf Erden hingegen, im staubigen New Mexico, hat der gefallene Prinz eher ein Problem damit, dass er verhaltenstechnisch auffällt: In der Tierhandlung gibt es kein edles Ross, und die Anzugträger von der CIA haben etwas dagegen, wenn einer mal so eben in ein Sperrgebiet spaziert. Noch bevor sich dieses eigentlich ergiebige Motiv entfalten kann, muss jedoch schon wieder gekämpft werden. Und dabei sieht Thor bloß wie Dutzendware aus.
Regie geführt hat bei dem Spektakel, das auf einem Marvel-Comic basiert, Kenneth Branagh. Es ist sein erster Ausflug ins Fantasy-Genre - und auch seine erste 150-Millionen-Dollar-Produktion. Andere aus der Weltliteratur bekannte Dynastien hat der britische Schauspieler im Kino schon kämpfen und stürzen lassen. Auch entsprechende Star-Ensembles hat er gekonnt dirigiert - diesmal überwiegt der Eindruck, dass das Projekt als solches jeden Anflug von Performance einfach plattwalzt.
Stars wie Anthony Hopkins als Odin, der japanische Vielarbeiter Tadanobu Asano als Thors Getreuer Hogun und vor allem das irdische Wissenschafterteam um Natalie Portman, das Thor buchstäblich umhaut, haben nicht ausreichend Leinwandzeit, um aus Figuren oder Situationen etwas herauszuholen.
Der australische TV-Schauspieler Chris Hemsworth verkörpert den polternden Titelhelden immerhin mit sympathischen Anflügen von Selbstironie. Im schwarzen Outfit von Loki steckt Tom Hiddleston. Der 30-jährige Brite, der in den Wallander-Krimis der BBC mitwirkt (neben Kenneth Branagh als Kommissar), aber auch in den spröden Autorenfilmen seiner Landsfrau Joanna Hogg und demnächst in Produktionen von Woody Allen, Terence Davies und Steven Spielberg, setzt mit diesem Spektakelkinostück einen weiteren Karriereschritt zum Leading Man.
In einem konzertierten Massenstart kommt Thor jetzt über den Großteil der Erde. Die Fortsetzung ist fix, viele Stars werden bleiben, der Regisseursposten wurde, wie bei solchen Franchises üblich, schon an eine neue Kraft übergeben. (Isabella Reicher/DER STANDARD, Printausgabe, 27. 4. 2011)