Am Eingangstor zum Flüchtlingslager müssen die Beamten künftig über Freiheit oder Anwesenheitspflicht entscheiden. Asylwerber müssen sich hier bei jedem Ausgang registrieren - das erscheint selbst Insidern als schwer administrierbar

Foto: STANDARD/Hendrich

Um das Erstaufnahmezentrum Traiskirchen zu verlassen - oder auch, um es zu betreten - gibt es für Normalsterbliche nur eine einzige Möglichkeit: Sie müssen am Haupteingang den Wachposten passieren, denn das Areal ist von einem videoüberwachten Zaun umgeben. Freien Personenverkehr gibt es nicht.

Vielmehr will der hinter Glas sitzende Beamte von jedem, der den schmalen Durchgang neben der Einfahrt betritt, einen Ausweis sehen. Bei Asylwerbern die Asylkarte: Er scannt sie ein, worauf sich auf dem Computer eine "Ampel" öffnet. Grün für Weitergehen, rot für Stehenbleiben.

Derzeit wird die "Ampel" nur aktiv, wenn jemand Zugang ins Lager begehrt - doch das wird ab 1. Juli mit größter Wahrscheinlichkeit anders. Mit Inkrafttreten der Anwesenheitspflicht für Asylwerber im Erstaufnahmezentrum in den ersten fünf bis sieben Tagen, die am Freitag mit dem Fremdenrechtspaket beschlossen werden soll, wird das Grün-Rot-Prinzip auch auf Weggehwillige ausgeweitet.

Internierte sind erkennbar

Damit wird für den Wachposten erkennbar, wer der Internierung unterliegt und wer nicht. Die Voraussetzungen für eine Inhaftierung von Asylwerbern auf dem Areal werden geschaffen.

Doch während Adaptierungspläne für das Traiskirchen-Computersystem laut Innenministeriumsquellen bereits seit Mitte 2010 existieren, ist bisher keineswegs klar, wie die Behörde ungerechtfertigtes Verlassen des Lagers kontrollieren wird. Konkret gesprochen, ob - um in Traiskirchen zu bleiben und das zweite österreichische Erstaufnahmenzentrum in Thalham vorerst auszublenden - gleich hinter der Pforte in der Otto-Glöckel-Straße die Fremdenpolizei patrouillieren und Anwesenheitspflicht-Flüchtlinge kontrollieren wird. Führende Fremdenpolizisten verneinen dies: die Personalressourcen dafür fehlten.

Das Recht, Flüchtlinge zu strafen, hätten sie: Laut Fremdenrechtsnovelle ist vorgesehen, Asylwerber, bei denen der Verdacht besteht, dass sie laut Dublin-II-Verordnung in einen anderen EU-Staat zurückmüssen, in Schubhaft zu nehmen. So sieht es der neue Paragraf 76 des Fremdenpolizeigesetzes vor.

Bis zu 5000 Euro Strafe

Allen anderen wiederum droht Paragraf 121 des Fremdenpolizeigesetzes ein Organstrafmandat an. Die vorgesehene Geldstrafe fürs Überschreiten der Anwesenheitspflicht liegt zwischen 1000 und 5000 Euro. Das dürfte für die neu angekommenen Flüchtlinge unerschwinglich sein. Also werden sie - so diese Strafe Anwendung findet - über kurz oder lang ebenfalls in Polizeihaft enden: um ihre Ersatzfreiheitsstrafe abzusitzen.

Im Innenministerium geht Sprecher Rudolf Gollia davon aus, "dass die Asylwerber bei der Anwesenheitspflicht kooperativ sein werden" . Immerhin seien sie es, "die vom Staat Österreich etwas wollen: ein Asylverfahren." Wünsche jemand partout, das Lager zu verlassen, so werde man beim Wachposten "von Fall zu Fall verhandeln" - und widrigenfalls eben "die Sanktionsmöglichkeiten ausnutzen" .

Tatsächlich ist man auf Internierte innerhalb des weitläufigen Traiskirchener Lagers derzeit nicht vorbereitet, wie ein Lokalaugenschein zeigte. Zwar sind die ehemaligen k. u. k. Kasernengebäude, die inmitten locker baumbestandenen Rasens stehen, großteils renoviert: Die Zeiten grindiger Küchen, verdreckter Waschräume und der Massenunterbringung in Stockbetten vor zehn Jahren sind vorbei.

Zurzeit 60 Menschen betroffen

Dass in der Erstaufnahmestelle Traiskirchen derzeit nur rund 380 Menschen wohnen, die sich auf dem Areal fast verlieren, entspannt die Situation zusätzlich. "Wenn der Belag weiter derart gering bleibt, wird die Anwesenheitspflicht handhabbar sein" , meint ein Insider. Unter den derzeitigen Umständen, so rechnet er vor, dürften "50 bis 60" Menschen das Lager vorerst nicht verlassen.

Doch abgesehen vom Speisesaal, der nur stundenweise geöffnet ist, und einem Fitnessraum besteht keinerlei Möglichkeit, um sich zusammenzusetzen und zu treffen. Dazu gehen die Asylwerber derzeit in den Ort hinein. Um einzukaufen, frequentieren die Erstaufnahmezentrumsbewohner derzeit wiederum die Supermärkte und Geschäfte der Stadt.

Zum Zweck der Nahversorgung in Zeiten der Anwesenheitspflicht soll daher laut Gollia im Lager selbst ein Kiosk errichtet werden. Dieser werde durch einen externen Partner betrieben - und auch einen Kaffeehaus-Treff aufweisen. (Irene Brickner, DER STANDARD Printausgabe, 27.4.2011)