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Kaiser Akihito (links) und Kaiserin Michiko (Zweite von links) beten auf dem einstigen Spielplatz einer Grundschule für die Opfer des Tsunamis und des Erdbebens.

Foto: REUTERS/Toru Yamanaka

Japans Regierung hat wider bessere Einschätzung vier Wochen lang das Ausmaß der Atomkatastrophe von Fukushima heruntergespielt. Dies verriet Goshi Hosono, als Sonderberater von Ministerpräsident Naoto Kan der oberste Krisenmanager beim Atomunfall, am Mittwoch in Tokio. Die Regierung sei von Anfang an davon ausgegangen, dass aus den Meilern genügend Radioaktivität entwichen sei, um eine Einstufung auf der höchsten Stufe 7 der internationalen Skala für Atomunfälle zu rechtfertigen, und nicht wie im Falle der ersten Einstufungen auf Niveau 4 und 5.

Gleichzeitig sei sie sich sicher gewesen, die Reaktoren unter Kontrolle zu haben: "Es ist eine kontrollierte Stufe 7." Eine dramatische Verschlechterung der Situation erwartet der Berater nicht mehr. Es gebe zwar noch Unwägbarkeiten, "aber wir werden in der Lage sein, auf alle Risiken zu antworten", sagte Hosono, "wir werden die Evakuierungszone nicht weiter ausdehnen müssen."

Es ist das erste Mal, dass ein Mitglied der japanischen Führung die Verschleierung des wahren Ausmaßes der Atomkatastrophe eingesteht. Ein Grund dafür dürfte der Versuch gewesen zu sein, Panik zu vermeiden: "Wir haben natürlich immer sichergestellt, eine Lage herzustellen, die es den Menschen erlaubt, ruhig zu reagieren".

Staus und Benzinengpässe als offizielle Begründung

Darüber hinaus führte er auch die offizielle Begründung an, der zufolge die Regierung in der ersten Woche keine Messdaten über die Radioaktivität zur Verfügung gehabt habe: Alle bis auf eine Messstation seien durch Beben und Tsunami zerstört oder beschädigt worden. Die Entsendung mobiler Messstationen sei an Staus und Benzinengpässen gescheitert. Erstaunlich: Journalisten schafften es sehr wohl, ins Katastrophengebiet zu gelangen.

Die Regierung, so Hosono weiter, konnte also die ausgetretene Radioaktivität anhand der Zerstörung und späterer Messungen bloß errechnen. Erst als dieses Ergebnis Anfang April vorlag, habe die Atomaufsicht genügend Daten zur Hand gehabt, die Bewertung anzuheben.

Am Mittwoch besuchte Japans Kaiserpaar erstmals die durch den Tsunami zerstörte Nordostküste des Landes. Kaiser Akihito verbeugte sich dabei auf einem Luftwaffenstützpunkt auf der Hauptinsel Honshu vor Rettungs- und Hilfskräften des Militärs.

Anschließend reiste er mit Kaiserin Michiko in die stark zerstörte Küstenstadt Minamisanriku. Danach stand ein Besuch des Kaiserpaares in einer der Massen- und Notunterkünfte in der Stadt Sendai am Programm. (Martin Kölling aus Tokio, DER STANDARD; Printausgabe, 28.4.2011)