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Lektüre

Manuel Andrack: Das neue Wandern - Unterwegs auf der Suche nach dem Glück. Berliner Taschenbuch Verlag
Fritz Peterka: Rund um Wien - Die schönsten Tal- und Höhenwanderungen. Bergverlag Rother München
Roswitha Bauer, Dieter Antensteiner:
Salzkammergut - Wellness, wandern und Natur erleben. Tyrolia Verlag
Irene Schuler:
Walserweg Graubünden - In 19 Etappen vom Hinterrhein in den Rätikon. Rotpunktverlag Zürich

Foto: APA

Einer der schönsten Wanderwege im Ausseerland führt von Bad Mitterndorf in gemächlichen Kehren zum "Simony-Bankerl" mit Fernblick auf das Dachsteinmassiv. Über eine etwas sportliche, aber seilgesicherte Passage erreicht man dann nach knapp 400 Höhenmetern die Simonywarte, einen Aussichtspunkt. Von hier schweift der Blick zum Felsstock des Grimmings, einem der imposantesten Gebirge der Steiermark. Über Hochmoore und das Thermalbad Heilbrunn steigt man ab und erreicht nach gemütlichen drei Stunden den Ausgangspunkt.

So landschaftlich und kulturell lohnend dieser Wanderweg auch ist, kann er doch dem nicht gerecht werden, was sich eine tüchtige Tourismusindustrie samt umtriebigen Wandervereinen anschickt, als "Qualitätsweg" oder "Premiumweg" zu "zertifizieren" und zu vermarkten.

Im Lechtal etwa ist man gerade dabei, 125 Kilometer, vom Ursprung des Flusses in der Vorarlberger Tourismusmetropole Lech über das Tiroler Außerfern bis nach Füssen im bayerischen Allgäu zum "ersten europäischen Qualitätswanderweg" zu machen. "Wir wollen für ganz Europa ein einheitliches, einfach zu nutzendes Zertifizierungssystem für höchsten Wandergenuss entwickeln", heißt es in der Absichtserklärung der Planer. Keine leichte Aufgabe, an der seit Jänner 2010 eine Handvoll regionaler Tourismus-Organisationen unter der Patronanz einer Europäischen Wandervereinigung (EWV) basteln. Da gilt es, ein "Möblierungsdesign" zu diskutieren, in Kreativworkshops ein Logo und Marketingstrategien zu entwickeln und "Qualitätschecks" hinsichtlich "Wegeformat, landschaftlicher Abwechslung und Erlebnisgehalt" durchzuführen.

Nach fünfzehn Monaten ist man, so Günter Salchner, Leiter der Projektkoordination in der REA (Regionalentwicklung Außerfern), noch nicht allzu weit. Ende Juni soll ein Workshop europaweit gültige Kriterien für Wanderwege definieren. Vorbild soll das Qualitätszeichen für Wanderwege des Deutschen Wanderverbands sein. Diese rund 600.000 Mitglieder zählende Vereinigung hat es sich zur Aufgabe gestellt, "regionale Wanderkompetenz" fördern. Das Qualitätszeichen soll "sich als Qualitätsmarke profilieren" und den touristischen Wanderdestinationen als "Wettbewerbsvorteil in der Vermarktung des wandertouristischen Angebots" dienen.

Doch Vorsicht: Der Deutsche Wanderverband e. V. mit Sitz in Kassel ist nicht die einzige deutsche Institution, die sich der "Wanderkompetenz" verpflichtet fühlt. Daneben gibt es noch das Deutsche Wanderinstitut e. V. in Marburg. Letzteres zertifiziert mit ausgebildeten Prüfern die deutschen "Premiumwege", die sich alle paar Jahre einem Wanderweg-TÜV unterziehen müssen.

Für das neue Interesse der Touristiker an der Wanderlust hat der Journalist Manuel Andrack, Verfasser des Bestsellers Das neue Wandern - Unterwegs auf der Suche nach dem Glück, eine einfache Erklärung: "Heute verdient man mit Wandern Geld." Andrack, bis vor drei Jahren Redaktionsleiter bei der Harald Schmidt Show, weist in seinem amüsant geschriebenen Buch nach, dass sich die Investition von 2,5 Millionen Euro in einen einzigen Wanderweg mit einem jährlichen Umsatz von 32 Millionen Euro rentiert.

Es ist nicht verwunderlich, dass im Prestigekampf um Wander-Kompetenz ausgerechnet Deutschland ganz vorn rangiert. Schon die "Wandervögel", vor 110 Jahren als jugendbewegte Befreiung aus bürgerlichen Zwängen gegründet, zeichneten sich vor allem durch rigorose Satzungen und hierarchisch motivierte Richtungsstreitereien und Spaltungen aus.

Ansonsten gibt es in der alten wie in der neuen Wandercommunity unüberbrückbare Gegensätze. Den Schönwetterwanderer, der die Kanaren und Balearen liebt, wird man kaum von der Attraktion Schottlands oder Islands überzeugen. Warum soll also nicht auch, abseits von Premiumpfaden, der Wanderweg auf den Spuren der Walser in Graubünden, das Salzkammergut oder der Wienerwald Genuss und Glück bescheren. (Horst Christoph/DER STANDARD/Printausgabe/29.04.2011)