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Der Sonnenhut stärkt die Abwehrkräfte und wird bei Harnwegsinfektionen angewendet.

Foto: APA/Horst Ossinger

Die EU will Heilkräuter verbieten, wird über Kettenmails, Facebook und Twitter verbreitet. Eine E-Petition soll Kamille und Co retten. Dem Aufruf "Helfen Sie mit, das europaweite Verbot von natürlichen Heilpflanzen zu stoppen" folgten im Herbst bereits mehr als120.000 Menschen und unterschrieben gegen die EU-Richtlinie 2004/24/EG, die THMPD - Traditional Herbal Medicinal Products Directive. Einige haben auch gespendet, 90.000 Pfund hatte die britische Initiative ANH (Alliance for Natural Health) Ende vergangener Woche über ihre Website für eine Klage gegen das "Verbot" gesammelt. Nun läuft eine Neuauflage der Petition durchs Netz.

In der Apothekerkammer wundert man sich über die Aufregung. "Von Verbot ist keine Rede, im Internet läuft eine komplette Fehlmeldung", beruhigt Herbert Wicho, stellvertretender Leiter der Pharmazeutischen Abteilung. Die EU-Richtlinie regle lediglich das Zulassungsverfahren traditioneller pflanzlicher Arzneimittel, "für die Konsumenten ändert sich gar nichts, sie können weiter ihre Tees und pflanzlichen Mittel kaufen wie zuvor". Als Medikament gelten jene, die als Arzneimittel genehmigt sind, alle anderen als Lebens- oder Nahrungsergänzungsmittel. Die einzige Einschränkung: "Obskure Drogen aus dem Internet sind nicht mehr so leicht anzubringen."Auch Bettina Kottas-Heldenberg, Geschäftsführerin der auf Heilkräuter und Tees spezialisierten Kottas Pharma GmbH in Wien, kennt die Petition: "Wir haben mehrere solcher reißerischer Kettenbriefe bekommen. Ich halte die Kritik für überzogen." Die Behauptung, Heilkräuter würden verboten oder dürften nicht mehr angebaut werden, sei schlicht "lächerlich". Verboten sei einzig, Heilversprechen auf Packungen zu schreiben, die Kräuter enthalten, die nicht als traditionelle pflanzliche Arzneimittel zugelassen sind.

Die EU-Richtlinie 2004/24/EG - die Jahreszahl 2004 verweist darauf - ist nicht neu. Sie wird in Österreich seit 2006 umgesetzt. "Sie brachte die Chance, dass EU-weit traditionell bewährte Produkte, sofern sie definierte Kriterien erfüllen, als Arzneimittel am Markt sein können", sagt Reinhard Länger auf der Website des Bundesamts für Sicherheit im Gesundheitswesen (Ages PharmMed). Für Arzneimittel, die bereits auf dem Markt sind, wurde zur Registrierung eine Übergangsfrist bis 30. 4. 2011 eingeräumt.

Übergangsfrist ausgelaufen

Grund für die neuerliche Aufregung dürfte das Auslaufen dieser Frist sein. In Österreich war es vor 2006 möglich, in einem vereinfachten Verfahren nach § 17a des früheren Arzneimittelgesetzes Zulassungen zu bekommen. Laut Ages PharmMed waren das 743 Arzneimittel. Welche dieser pflanzlichen Mittel zur Registrierung eingereicht wurden und nun weiter als traditionelle pflanzliche Arzneimittel gelten, ist auf der PharmMed Website einsehbar.

Grundsätzliche Kriterien, die traditionelle pflanzliche Arzneimittel erfüllen müssen, um zugelassen zu werden, sind nun: Medizinische Verwendung seit mehr als 30 Jahren, davon 15 Jahre in der EU. Ihre Anwendung muss ohne ärztliche Aufsicht möglich und sicher sein. Die Wirkung muss nicht durch klinische Studien nachgewiesen werden, aber "plausibel" sein. Die Qualität der Produkte muss den aktuellen Richtlinien entsprechen.

Nicht betroffen von der "Traditional Herbal Medicinal Products Directive" sind pflanzliche Arzneimittel, die in Apotheken nach ärztlichem Rezept oder Arzneibuch hergestellt werden.

Die EU-Richtlinie verpflichtet die Produzenten für das Zulassungsverfahren Dossiers über ihre einzelnen Erzeugnisse vorzulegen. "Viel Geld" müsse man dafür in die Hand nehmen, könne durch die hohen Standards den Kunden aber mehr Qualität bieten, sagt Bettina Kottas-Heldenberg. Für Kleinstproduzenten habe die EU-Richtlinie Nachteile: "Wer nur ein einziges Produkt erzeugt, wird das teure Verfahren wohl nicht in Kauf nehmen." Das löse Befürchtungen aus, dass "die Kleinen von den Großen geschluckt werden", sagt Kottas-Heldenberg. Drastischer formulieren die Initiatoren der E-Petition, sie sehen in der EURichtlinie ein "Komplott der Pharmaindustrie."

Meldungen aus dem Internet wie Petitionen, Spendenaufrufe, Warnungen lassen sich übrigens mit einem Klick auf die Website von Hoax-Profis ganz einfach verifizieren. (Jutta Berger, DER STANDARD Printausgabe, 02.05.2011)