Den Adams's Peak in Sri Lanka sollte jeder Gläubige mindestens einmal im Leben besteigen. 5.000 Stufen führen auf den Gipfel, wo Buddha seinen Fußabdruck hinterlassen haben soll.

Foto: Maria Kapeller

Der Tag vor dem Aufstieg: Tropenwälder im Hochland Sri Lankas, die im nicht enden wollenden Regen verblassen.

Maria Kapeller

Nach dem Regen glänzen die Teeplantagen Ceylons in dunklem Grün.

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Sechs Uhr Früh: Sonnenaufgang auf dem Adams's Peak.

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Der Heilige Berg Sri Lankas ist 2.243 Meter hoch, von hier aus bietet sich ein Rundumblick über das Hochland.

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Erst beim Abstieg in der Morgensonne wird ersichtlich, woran man in der Dunkelheit vorbeigeschritten ist. Im Bild: eine Stupa (in Sri Lanka: Dagoba).

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Auch der liegende Buddha kann erst bei Tageslicht genauer betrachtet werden.

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Der Regen gießt schon seit dem späten Nachmittag auf dunkelgrün gefärbte Teeplantagen und Tropenwälder, die immer mehr im Dunst verblassen. Von der überdachten Terrasse unseres Gästehauses im Hochland Sri Lankas aus ist der Gipfel des Adam‘s Peak, den es heute Nacht zu besteigen gilt, nur mehr ansatzweise zu erkennen. Auf dem Tisch stehen Schälchen mit Reis, Hühnercurry, scharfem Gemüse und Papadam, dem frittierten Fladenbrot aus Linsenmehl. Für Begleitmusik zum Abendessen sorgt der nicht enden wollende Regen. "Keine Angst, nach ein paar Stunden hört es wieder auf und heute Nacht bleibt es trocken", beruhigt der Chef des Hauses. Die Nacht naht, jetzt schnell ins Bett, um noch ein paar Stunden Schlaf zu bekommen. Um zwei Uhr früh läutet der Wecker, der Regen hat tatsächlich aufgehört, die Trekkingschuhe werden geschnürt, die Windjacke eingepackt.

5.000 Stufen führen auf den Heiligen Berg

Der Adam's Peak ist mit 2.243 Metern einer der höchsten Berge Sri Lankas, das bis 1972 Ceylon hieß. Die Singhalesen nennen ihren Heiligen Berg Sri Pada und heilig ist er deshalb, weil Buddha höchstpersönlich seinen Fußabdruck auf dem Gipfel hinterlassen haben soll. Wenigstens einmal im Leben soll ein jeder gläubiger Buddhist die rund 5.000 Stufen bezwingen, aber auch Angehörige der drei anderen Insel-Religionen zieht es hierher: Die Hindus vermuten hier Shivas Fußabdruck, die Christen glauben der Heilige Thomas sei hier gewesen, für die Muslime war es Adam. Die Pilgersaison dauert vom Dezember-Vollmond bis zur Vollmondnacht im April/Mai.

Der Gipfel ist auch um zwei Uhr morgens vom Hotelzimmer aus erkennbar, die Stufen winden sich steil hinauf, alle paar Meter leuchtet eine schwache Laterne. Aus der Ferne sieht das aus, als hätte jemand eine Lichterkette um den bewaldeten Kegel gelegt. Wir haben Glück und treffen am Startpunkt eine katholische Familie aus Colombo, die die Feiertage des Singhalesischen Neujahres nutzt, um den Heiligen Berg zu erklimmen. Die ersten Schritte führen über plattgetretene, erdige Wege, rundum ist nur das Klacken der Frösche zu hören. 

Nach einer Weile beginnen die Stufen, Schritt für Schritt geht es jetzt aufwärts, die Zeit vergeht mit Tratschen. Aaron, einer der Söhne der Familie aus Colombo, erzählt von den Zeiten in denen die Terroristen der Tamil Tigers Generatoren in die Luft sprengten, von der aktuellen Regierung, vom gerade zu Ende gegangenen Cricket-Weltcup, den Indien vor Sri Lanka für sich entschied. Der Weg wird steiler, die Gespräche verstummen, das Atmen wird anstrengender, das Tempo langsamer. Neben den Stufen bieten jetzt immer mehr Teestuben Roti-Brot, Wasser und Süßigkeiten an. Je weiter oben, desto teurer, die Ware muss schließlich auf dem Rücken hinaufgeschleppt werden.

Das Tal färbt sich langsam blau

Weil die Lampen am Wegesrand zum Teil ausfallen, leistet eine Taschenlampe gute Dienste. Wir holen immer mehr Familien ein, Jugendliche in Flip-Flops und alte barfüßige Frauen mit langen, weißen Röcken und Zöpfen, die sich am Geländer hochziehen. Ein deutsches Paar, ein paar Chinesen, eine Gruppe Franzosen, ein Vietnamese der sich erschöpft auf einer Stufe niedergelassen hat, mehr Touristen sind hier nicht. Nach drei Stunden färbt sich die Landschaft unter uns langsam in ein dunkles Blau, die Blicke die man sich gegenseitig zuwirft sind wohlwollend. Verschwitzt und erschöpft lächelt man seinem Gegenüber ins Gesicht mit der stillen Übereinkunft, dass die gemeinsame Anstrengung bald ein lohnendes Ende finden wird.

Eine halbe Stunde später ist der Gipfel erreicht, die Knie zittern, oben hat sich schon eine beachtliche Menschenmenge versammelt und die Kameras gezückt, um den kurz bevorstehenden Sonnenaufgang einzufangen. Am Horizont ist zwischen all den Blautönen ein oranger, hell leuchtender Streifen zu erkennen, der bald das ganze Land einnimmt. Kurz nach sechs Uhr morgens, es ist taghell, jetzt heißt es Schuhe ausziehen und Kopfbedeckung abnehmen, wie es in buddhistischen Tempeln eben verlangt wird.

Ein paar grellorange gekleidete Mönche laufen in Socken herum, um mit ihren Digitalkameras den großen Moment einzufangen. Den Fußabdruck Buddhas bekommen wir gar nicht erst zu Gesicht, weil uns ein Mönch mit der Aufforderung "Go, go", vom Herzstück des Tempels verscheucht. Jetzt werden Jasminblüten und Wasserlilien zum Heiligtum getragen, die Gläubigen fassen die Opfergaben an und rufen immer wieder "Sadhu! Sadhu!" ("Heilig! Heilig!"). Über einen Lautsprecher ertönen Gebete, die Einheimischen sitzen auf dem kalten Steinboden, die Hände gefaltet, die Augen geschlossen, die bloßen Füße frieren im Wind.

Wohlverdiente Fußmassage

Die weniger Gläubigen machen sich schon bald wieder an den Abstieg. Dieser gestaltet sich reichlich mühsam, der Schlafmangel und die schlottrigen Knie tun ihr Übriges. Jetzt haben alle Imbissbuden am Wegesrand geöffnet, weiter unten kann man sich die Füße massieren lassen, billige Ayurveda-Produkte und kleine Buddha-Statuen kaufen. Hin und wieder laufen einem Affen über den Weg, am Fluss treffen sich Familien zur Morgenwäsche. Zum wohlverdienten Frühstück auf der Hotelterrasse werden Ananas, Bananen und Papayasaft gereicht. Neuankömmlinge schauen verträumt auf den kegelförmigen Gipfel, der eigene Blick darauf hat sich über Nacht verändert. (Maria Kapeller, derStandard.at)