17. August 2006: Stiftungsrat Walter Meischberger (li., im Sitzungssaal) und andere orange Stimmen verhelfen Alexander Wrabetz (re.) zum ORF-General.

Fotos: STANDARD/Newald
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Alexander Wrabetz zeigt mehr Sinn für "Scherzmails", als er seinen Stiftungsräten im März erklärte. "Sicher nicht" habe er Walter Meischberger geantwortet, "auf Scherzmails reagiere er nicht", zitiert ihn das Sitzungsprotokoll. Er traf Meischberger danach mehrfach, um ein gemeinsames Großprojekt zu besprechen.

Im "Scherzmail" an Wrabetz forderte Meischberger ernst: "Damit ist es bereits ein Jahr her, dass ich meinen Teil unserer Vereinbarung eingehalten habe, während Du keinerlei Anzeichen gibst, auch deinen Teil der Vereinbarung einzuhalten." Das BZÖ verschaffte Wrabetz 2006 - gegen Regierungspartner ÖVP - die Mehrheit bei der ORF-Generalswahl. Meischberger saß auf einem orangen Regierungsticket.

Wrabetz erklärte dazu im Stiftungsrat, es habe "im Zusammenhang mit dessen Wahlverhalten keine Vereinbarungen mit Meischberger gegeben", weder vor noch nach der Wahl. "Es habe keine Zusagen an ihn gegeben, mit ihm irgendwelche Projekte zu verwirklichen." Meischberger, da schon Exstiftungsrat, habe "Ideen gehabt für eine facebookartige Internetplattform ,D-ORF', die zu keinem Ergebnis geführt hätten".

Das beschrieb Meischberger 2008 in einem Mail an Wrabetz anders, das ein Telefonat der beiden protokollierte, anders: "Es ist unrichtig zu behaupten, das dieses Projekt ausschließlich eine Idee der Agentur Zehnvierzig war, und diese das Projekt ,out of the blue', nur aus eigenem Antrieb, dem ORF präsentierte". Es gebe "eine klare mündliche Vereinbarung" mit Wrabetz, dass Meischbergers Agentur da "mit dem Aufwand der Präsentation in Vorlage trat".

Untersuchungskommission

Am Vortag des Telefonats nannte Meischberger öffentlich eine "Weichei-Aktion", dass Wrabetz das Projekt D-ORF stoppte. Das tat der ORF-Chef intern just am 4. September 2008, als der Standard die ORF-Führung mit seinen Infos über Meischbergers Konzept konfrontierte. Es ging mit persönlichen Profilen, Kontakt- und Tauschbörsen, Musikdownloads, Schönheitsbewerben, Onlineshopping, Gewinnspielen weit über ORF-Gesetz und EU-Regeln für Gebührensender hinaus, bestätigte die ORF-Rechtsabteilung.

Zwei Tage danach telefonierten Wrabetz und Meischberger laut dessen Protokoll wieder über das Projekt und "das künftige Vorgehen" dabei. Demnach "gemeinsam vereinbarte Eckpunkte":

  • D-ORF sei "gemeinsam beschlossen" und nach "gemeinsamem Willen" "trotz aller möglichen Querschüsse doch umzusetzen".
  • "Als Ergebnis unseres Telefonats" werde "sofort mit der strukturellen Änderung des Projektes D-ORF in eine rechtskonforme Form, dem ORF-Gesetz entsprechend, begonnen". Hat man eine "rechtskonforme Struktur" gefunden, "eine Kooperation und/oder Beteiligungsform", "werden die Agentur Zehnvierzig mit dem ORF oder einer seiner Töchter das Projekt zur Umsetzung bringen".
  • Um weitere Indiskretionen zu vermeiden, werde ein "gemeinsames Team", "so klein wie möglich" eingesetzt. Im Oktober 2008 gab noch eine Besprechung ORF-Meischberger dazu.
  • Die ORF-Rechtsabteilung sei vorerst nicht mehr einzubinden: "Die Rechtsfrage wird außer Haus, in Auftrag der Agentur Zehnvierzig einer Lösung zugeführt."

Meischberger wollte die Echtheit seines Mails "nicht bestätigen". ORF-Sprecher Martin Biedermann erklärte, bis auf zwei Präsentationen (knapp 8000 Euro) habe der ORF keine Meischberger-Projekte realisiert oder bezahlt.

ORF-Chef Wrabetz und der ressortzuständige Onlinedirektor Thomas Prantner schwiegen dazu. Am 13. Mai sind sie in einem Medienverfahren als Zeugen zum Thema geladen. Kläger Meischberger (gegen "Österreich") überlegt inzwischen, die Klage zurückzuziehen, Begründung: Er wolle daraus kein Polittheater machen.

Schon am 12. Mai dürften Stiftungsräte danach fragen: Franz Medwenitsch etwa, Sprecher der bürgerlichen Räte, interessiert: "Was ist dran an der Causa Wrabetz-Meischberger? Und gibt es eine Diskrepanz zwischen dem Inhalt der Mails und dem, was im Stiftungsrat berichtet wurde? Beides ist aufzuklären." Die FPÖ fordert schon eine "Untersuchungskommission" dazu. (Harald Fidler, DER STANDARD; Printausgabe, 30.4./1.5.2011)