Hans Gasser: Wettbewerbsverzerrung mit Steuergeld.

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Undurchsichtige Verhältnisse im Blätterwald: Öffentliche Gelder an Medien für politische Werbezwecke müssen transparent fließen - sonst verlieren diese ihre Reputation und Kontrollfunktion.

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Alle Skandale der jüngeren Vergangenheit im öffentlichen Umfeld haben eines gemeinsam: Sie sind die Folge von Intransparenz, unklaren Regeln, fehlenden gesetzlichen Rahmenbedingungen, Verhaberung, Vertuschung und krimineller Energien.

Österreichs Medien berichten einerseits in ihrer Funktion als "Public Watchdog" ausführlich darüber und geraten andererseits selbst in ein demokratiepolitisch problematisches System.

Zur Veranschaulichung: Im Jahr 2010 wurden um die 100 Millionen Euro von Regierungsstellen, Ministerien, Staatsbetrieben und öffentlichen Institutionen allein für Werbung in Printmedien ausgegeben. Elektronische Medien wie Radio und Fernsehen - auch der ORF - sind hier nicht inkludiert und kommen noch dazu. Zumeist erfolgt die Vergabe dieser öffentlichen Mittel - vulgo Steuergeld - freihändig und zum Teil ohne zielgruppenspezifische Überlegungen.

Diese mangelnde Transparenz solcher Geldflüsse an der sensiblen Schnittstelle zwischen Politik und Medien stellt zwei der wesentlichen Grundwerte der freien Presse infrage: politische Unabhängigkeit und publizistische Glaubwürdigkeit.

Problematisches Verhältnis

Das Verhältnis von Politikern und Medienmachern war hierzulande schon immer ein wenig anders als in so manch anderen westlichen Demokratien. Die Kleinheit unseres Landes diente hierbei gerne als willkommene Begründung. Die oft millionenschwere Vergabe von Medienkooperationen innerhalb solcher Netzwerke bereichert dieses Verhältnis um eine problematische Facette, die man als gezielte Anfütterung und gewollte Verführung des "Public Watchdog" werten kann.

Medienunternehmer im Allgemeinen und Zeitungsverleger im Besonderen, die sich im demokratischen Gefüge als unbestechliche Kontrollinstanz und Vierte Gewalt verstehen, können und dürfen solche Verhältnisse nicht sehenden Auges hinnehmen. Natürlich war der warme Regen millionenschwerer öffentlicher Zuwendungen nach dem eiskalten wirtschaftlichen Schock der letzten Jahre für viele Medien ein willkommener Klimawandel. Doch wir sollten uns vorsehen, dass dieses künstliche Klima nicht unsere Reputation, Glaubwürdigkeit und vor allem Unabhängigkeit beschädigt. Ganz abgesehen davon, dass Zuwendungen dieser Größenordnung an einige wenige Medien auch den Tatbestand der Wettbewerbsverzerrung mit Steuergeld darstellen.

Entwurf mit Schwächen

Der aktuelle Entwurf eines Bundesverfassungsgesetzes zur Transparenz von Medienkooperationen, Förderungen und Werbeaufträgen an Medienunternehmen hat leider noch einige eklatante Schwächen und hebelt die scheinbar gute Absicht damit gleich selbst wieder aus: Es gibt dort u. a. keinen Sanktionsmechanismus bei Nichtmeldung, keine praktikable Berichtsperiode, und es soll nur zweimal im Jahr anstatt zumindest quartalsweise veröffentlicht werden - die zahlreichen kritischen Stellungnahmen zum Entwurf sollten sehr ernst genommen werden, damit dieses Gesetz seinen Namen auch verdient.

Zeitungen und Magazine - vor allem jene, die von ihren Lesern und Abonnenten bezahlt werden - müssen ihren Wert, heißt: ihre journalistischen Leistungen täglich unter Beweis stellen - durch handwerklich soliden Journalismus und durch echte Unabhängigkeit. Wer aber in überdurchschnittlichem Ausmaß von direkten finanziellen Zuwendungen der Regierung, einzelner Ministerien oder Staatsunternehmen abhängig ist oder davon profitiert, kann diesem Anspruch an Unabhängigkeit kaum gerecht werden.

Besonders auffallend in diesem Zusammenhang ist, dass die staatliche Presseförderung für 16 Tageszeitungen und 52 Wochenzeitungen und Magazine von aktuell 12,8 Millionen Euro in 2010 in den nächsten Jahren sukzessive um fast 14 Prozent gekürzt wird, während die jährlichen Aufwendungen für kommerzielle Werbung der öffentlichen Hand und von Staatsbetrieben in der Größenordnung von 100 Millionen Euro ein Vielfaches davon ausmachen und vor allem in Boulevard- und Gratismedien fließen.

Hingegen schließt die staatliche Presseförderung politischen Einfluss definitiv aus, denn bei Erfüllung entsprechender, gesetzlich festgelegter Kriterien, entsteht für das Medium ein Rechtsanspruch auf Fördermittel, ganz unabhängig davon, ob die Berichterstattung oder redaktionelle Linie dieses Mediums den jeweils Regierenden gefällt oder nicht.

Die im Transparenzgesetz vorgesehene Gleichstellung bei der Veröffentlichung von Inseratenaufträgen und Pressefördermitteln ist auch deshalb ein unstatthafter Vergleich, zumal die Beträge auf den Cent genau immer schon öffentlich einsehbar waren und regelmäßig publiziert werden

Keine Einseitigkeiten

Damit aber kein Missverständnis entsteht: Natürlich sollen Regierung, Ministerien, Länder, Staatsbetriebe und öffentliche Institutionen durch bezahlte - und als solche auch gekennzeichnete - Werbung in verschiedenen Medien (auch in Boulevard- und Gratismedien) informieren und aktiv kommunizieren - das ist professionelle Kommunikationsarbeit und auch international als Public Advertising ganz und gar unbestritten.

Und es ist natürlich auch ein wichtiger Umsatzanteil für die Medienunternehmen. Aber dieses Geld aus dem öffentlichen Sektor muss transparent fließen, damit einseitige und den Markt verzerrende Finanzierungen von Medien mit Steuermitteln in Zukunft keine Chance mehr haben - und die demokratiepolitisch wichtige Rolle der Medien als "Public Watchdog" auch in unserem Land gesichert ist. (Hans Gasser/DER STANDARD; Printausgabe, 4.5.2011)