Der 1936 ausgestorbene Beuteltiger (vorn) sah zwar ähnlich aus wie der wolfsähnliche Dingo, jagte aber ganz anders.

Illustration: Carl Buell

Das Ellbogengelenk von Thylacinus cynocephalus zeigt: Das Raubtier war eher Tiger als Wolf.

Illustration: Borja Figueirido

Die Knochen deuten darauf hin, dass das Beuteltier doch eher ein Tiger als ein Wolf war.

Sein Kopf und sein Körper sahen aus wie der eines Hundes, die Streifen auf seinem Fell wiederum erinnerten an einen Tiger. Und die Neugeborenen trugen die Weibchen wie Kängurus in einem Beutel herum. Kein Wunder, dass das 1936 endgültig ausgestorbene Raubtier, das in Australien und Tasmanien Kultstatus genießt, unter mehreren Namen bekannt ist: als Beutelwolf, Beuteltiger und Tasmanischer Tiger.

Doch was war Thylacinus cynocephalus, wie das Tier wissenschaftlich genannt wird, nun wirklich? War es eher ein Wolf oder doch ein Tiger? Und könnte die Klärung der Frage womöglich helfen, sein Aussterben zu erklären? Zwei Forscher der Brown Universität in den USA fanden nun nach Vergleichen der Knochen von Thylacinus mit 31 anderen Säugetierarten die Antwort: Im Beutelwolfspelz steckte wohl doch eher ein Tiger, wie Borja Figueirido und Christine Janis heute im Fachblatt Biology Letters der Royal Society schreiben.

"Obwohl kein Zweifel darüber besteht, dass die Nahrung des Beuteltigers ganz ähnlich war wie die von heute lebenden Wölfen, fanden wir keinerlei überzeugenden Beweise, dass sie auch so jagten", sagt Figueirido. Vielmehr würden die neuen Analysen den Verdacht bestätigen, dass der Tassy Tiger – wie die Tiere in Australien und Tasmanien umgangssprachlich genannt werden – einzeln und überfallsartig jagten und nicht wie die Wölfe in Rudeln.

Ein Gelenk als Beweis

Den Schlüssel zu den Jagdgewohnheiten der Tiere fanden die US-Biologen im Ellbogengelenk. Das gibt bei Raubsäugern nämlich darüber Auskunft, ob die Tiere eher auf Beweglichkeit und Geschicklichkeit beim Jagen spezialisiert sind oder die Beute durch ihre Geschwindigkeit zur Strecke bringen. Analysen der entsprechenden rechteckigen Knochen beim Tasmanischen Tiger zeigten, dass das Tier ähnlich wie Katzen ihre Vorderpfoten so abbiegen konnten, dass die Fußballen nach oben zeigten.

Wölfe, aber auch Dingos und andere hundartige Tiere haben hingegen quadratische Verbindungsknochen, sind daher weniger beweglich, dafür aber bessere Läufer. Man würde nie vermuten, dass diese kleinen Unterschiede so viel bedeuten, sagt Christine Janis. Sie gibt zugleich aber auch zu, dass nicht alle Räuber in die Zuteilung passen (Ausnahmen sind etwa Geparde oder Füchse) und der Fall des Beuteltigers überhaupt einzigartig sei: Seine Jagdtaktik waren wohl eine einmalige Kombination aus beiden, "eine Art von katzenartiger Fuchs."


Der letzte seiner Art: Filmaufnahmen aus dem Jahr 1933 (Quelle: YouTube)

Bleibt die Frage, warum die Tasmanischen Tiger ausstarben. Klar scheint, dass die Ankunft des Menschen in Australien vor rund 40.000 Jahren eine wichtige Rolle spielte. Der Mensch hat den Tieren zunächst sowohl den Lebensraum wie auch ihre Beute streitig gemacht, später dann wohl auch die rücksichtslose Jagd der weißen Siedler auf der Insel Tasmanien.

Welche Rolle spielten aber die hundeähnlichen Dingos, die vor rund 4000 Jahren in Ozeanien heimisch wurden und im Grunde wie eine Kopie der Beuteltiger (nur mit Gebärmutter statt Beutel) aussehen? Waren sie die nicht noch viel größere Bedrohung für die Beuteltiger?

Der Dingo war es eher nicht

Die Forschung diskutiert über diese Fragen seit Jahren. Viele Wissenschafter gehen davon aus, dass die neuangekommenen Dingos die Beuteltiger verdrängten, weil sich die beiden Arten auch gar so ähnlich sahen.

Borja Figueirido und Christine Janis sind aufgrund ihrer neuen Erkenntnisse aber eher skeptisch. Für sie scheint, dass Dingos und die Tasmanischen Tiger ganz anders jagten und deshalb auch nicht die gleiche ökologische Nische besetzten. Was wiederum darauf hindeutet, dass es doch vor allem der Mensch war, der den Tigern den Garaus machte. (Klaus Taschwer/DER STANDARD, Printausgabe, 04.05.2011)