Die Wahl des Codenamens Geronimo für Osama Bin Laden durch das US-Militär lässt nur drei Deutungen zu: besondere Insensibilität, Besonders-schlau-sein-Wollen - oder beides. Geronimo war ein legendärer Führer der amerikanischen Ureinwohner. Der Apachenhäuptling gilt als letzter militärischer Indianerführer, der ernsthaften Widerstand gegen die Landnahme der Weißen im amerikanischen Westen leistete. Er ergab sich 1886 und starb in US-Gefangenschaft.

Nach dem Tod Bin Ladens meldete das Militär an das Weiße Haus: "Geronimo EKIA." EKIA steht für "Enemy Killed In Action" (Feind im Kampf getötet). Der Codename hat in den USA scharfe Kritik ausgelöst. Es sei völlig unangemessen, "einen der größten Helden der indianischen Ureinwohner" mit dem meistgehassten Feind der USA in Zusammenhang zu bringen, sagte Loretta Tuell, führende Beraterin des Senatskomitees für indianische Angelegenheiten, am Dienstag. Tuell gehört zum Indianerstamm der Nez Perce. Steven Newcomb, Kolumnist der Wochenzeitung Indian Country Today, schrieb, ein afroamerikanischer Präsident im Weißen Haus reiche offenbar nicht aus, eine mehr als 200 Jahre alte Tradition zu überwinden, dass Indianer als Feinde der USA betrachtet würden.

Die Namenswahl ist umso unverständlicher, als es auch eine andere Tradition gibt. Der Name des Indianerhäuptlings war im Zweiten Weltkrieg der Schlachtruf des 501. US-Fallschirmjäger-Regiments. Die Soldaten stürzten sich bei Einsätzen mit dem Ruf "Geronimo!" in die Tiefe - offenbar um den Heldenmut des legendären Apachen zu beschwören. (jk, gian(/ER STANDARD, Printausgabe, 6.5.2011)