Foto: Boombuz

Wien - Michael Pistauer hat seine Schuhe im Garten vergraben. Unter optimalen Bedingungen sollten sie in 77 Tagen zu Kompost verrottet sein. Da sich diese in seinem Boden nicht ganz herstellen lassen und er die Schlapfen auch nicht zerhäckselt hat, könnten sie vielleicht erst in einem Jahr zu Dünger zerfallen, mutmaßt er. Vor kurzem hielt er Nachschau - und die Schlieren, die er an ihnen sah, ließen ihn frohlocken: "Sie beginnen sich schon aufzulösen."

Pistauer investierte mit vier weiteren Unternehmern in Flipflops. Weltweit gibt es deren zwar mehr als genug, allein der brasilianische Schuhhersteller Ipanema wendet für sie jährlich gut 60.000 Tonnen Plastik auf. Die Österreicher gehen bei den bunten Tretern aber unkonventionellere Wege.

In ihnen stecken biologisch abbaubare Gewebe und Kunststoffe. Recycelfähig und frei von Schadstoffen seien sie, sagt Pistauer und nicht Sondermüll, wie der Rest der jährlich 25 Milliarden Paar erzeugten Schuhe. Von der Farbe bis zum Kleber sei so gut wie alles an ihnen toxisch und mit Schwermetallen versehen. Selbst ein Lederschuh brauche bis zu 700 Jahre, bis er endlich verrotte.

Erfunden hat den Bio-Schuh Udo Weixelbaumer. Der gelernte Hauptschullehrer wechselte in die Schuhentwicklung, arbeitete für große österreichische und französische Hersteller und bastelte an eigenen Patenten. Zehn Jahre kostete ihm die Entwicklung der kompostierbaren Flipflops, die immer wieder in finanzielle Nöte abrutschten.

Den Markteintritt seiner Marke Boombuz dieses Frühjahr erlebt Weixelbaumer nicht. Er kam im Jänner bei einem Verkehrsunfall ums Leben. Pistauer: "Wir hatten nur zwei Möglichkeiten: Es ganz sein zu lassen oder es allein durchzuziehen. Wir haben uns für Zweiteres entschieden. Jetzt erst recht."

Basis ist ein im Vorjahr gegründetes Unternehmen. Zu den Geldgebern zählen der frühere Epamedia-Chef Heinrich Schuster und Werber Alois Grill. Im Aufsichtsrat findet sich der ehemalige Red-Bull-Mann Norbert Kraihamer: Er galt einst als Nummer Zwei hinter Dietrich Mateschitz und kontrollierte hunderte Millionen Euro Marketingbudget. Auch Dick Wijsman ist mit dabei. Der frühere Vertriebsmanager der US-Marke Crocs scheint genug von der Welt der plumpen Gummischlapfen zu haben.

"Wie eine Zeitung ohne Papier"

Weixelbaumer habe mit seinen Flipflops das Rad neu erfunden, sinniert Pistauer. "Er konnte nichts einsetzen, was bisher in der Schuhindustrie üblich war. Als ob man ei- ne Zeitung ohne Druckerschwärze und Papier machen wollte." Ideen für Kleber etwa entlehnte er aus der Flugzeug- und Autoindustrie. In der Verpackungsbranche fand er Stoffe fürs Recycling. Hilfe fürs Design kam aus Italien. Mit dem erhobenen Zeigefinger Kunden zu suchen, sei sinnlos, sagt Pistauer. Man wollte leistbaren Style und keine Ökopatschen. Heuer will Boombuz 30.000 bis 40.000 Flipflops unter die Leute bringen: online, über den Fachhandel und die Kette Humanic. Pro Paar sind 25 bis 40 Euro auszulegen. Ziel für 2012 sind die zehnfache Menge und der Break Even.

Produziert wird in Tschechien und Ös- terreich, für weitere Komponenten sorgen die Schweiz und Norditalien. Logistik und Lager sind outgesourct; Pistauer nennt das Red-Bull-Modell als Vorbild. Großangelegte Werbung leiste man sich keine, sondern vertraue lieber auf die Kommunikation der Facebook-Generation. Schade sei, dass es kein entsprechendes Ökosiegel gebe: Eines, das kundtue, dass sich die Schuhe für den Biomüll eigneten, wär' schön, meint Pistauer, "das sagt eigentlich alles". Angst vor Plagiaten hat er nicht. Es werde Nachahmer geben, klar, viele Konzerne hätten sich aber trotz hoher Investitionen vergeblich um das gesunde Business bemüht. Im übrigen sei es gut, folgten andere nach. "Das heißt, wir haben was bewirkt." (Verena Kainrath, DER STANDARD, Print-Ausgabe, 5.5.2011)