Erschienen bei Sony, Region 2

Foto: Sony

Charles Ferguson, studierter Politologe und Ex-Software-Unternehmer, ist als Dokumentarist ein Quereinsteiger: 2007 veröffentlichte er No End in Sight über die US-Besatzer im Irak; im Vorjahr folgte Inside Job, und diesmal blieb es nicht bei der Oscar-Nominierung. Die Entgegennahme der Trophäe nutzte der Regisseur, um anzumerken, dass skandalöserweise auch drei Jahre nach der Krise noch kein verantwortlicher Banker im Gefängnis säße.

In Inside Job heißt es bald nach Beginn aus dem Off: "Diese Krise war kein Unfall, sie wurde von einer außer Kontrolle geratenen Industrie verursacht." Der 15. September 2008 und der Konkurs von Lehman Brothers sind ein konkreter Angelpunkt. Die umfangreiche Recherche, die der Film anstrengt und bei der zahlreiche Experten zu Wort kommen (während viele Schlüsselfiguren ein Interview ablehnten), setzt jedoch früher an, bei der von der Reagan-Regierung begonnenen Deregulierung des Finanzsektors. Und sie interessiert sich - über 2008 hinaus - für personelle Kontinuitäten und die Verflechtungen zwischen Wirtschaft, Politik und Universitäten. Auch die Obama-Administration sei eine "Wall-Street-Regierung".

In Sequenzen, die mit Interviews alternieren, nähert sich ein anonymer Kamerablick, der zunächst über Hochhausschluchten gleitet, allmählich buchstäblich dem Boden der Realität - und den gewöhnlichen Menschen. Dazu passt, dass Les Films Pelléas Jean-Stéphane Brons Dokumentarfilm Cleveland contre Wall Street auf DVD herausgebracht hat: Dieser thematisiert die Finanzkrise aus Sicht der Verlierer - in Cleveland wird unter realen Bedingungen ein fiktionaler Prozess angestrengt, der ebenfalls die Verursacher (und Profiteure) an der Wall Street haftbar machen soll. Gemeinsam ergeben diese beiden kämpferischen Filme ein sinnfälliges Double-Feature. (Isabella Reicher / DER STANDARD, Printausgabe, 6.5.2011)