Göttingen - Wissenschafter von der Universitätsmedizin Göttingen arbeiten an einer neuen Methode, um Querschnittsgelähmte mobil zu machen. Menschen, die weder Arme noch Beine bewegen können, sollen einen Rollstuhl künftig mit Hilfe der Ohrmuskulatur steuern. Zusammen mit Kollegen aus Heidelberg und Karlsruhe entwickeln Göttinger Neurologen dazu ein sogenanntes telemetrisches myoelektrisches Ohrmuskelableitsystem (Telmyos). Dabei soll ein kleiner Chip hinter dem Ohr Muskelsignale aufzeichnen und per Funk an einen Empfänger übertragen, der dann den Rollstuhl steuert. 

Gezieltes Ohrentraining

Manche Menschen können von Natur aus mit den Ohren wackeln. Alle anderen können nach Erkenntnissen der Göttinger Neurologen durch gezieltes Training ebenfalls lernen, die Ohrmuskulatur willentlich zu aktivieren. Weil bei jeder Muskelaktivierung auf natürliche Weise elektrische Signale entstehen, kamen die Forscher auf die Idee, die Ohrmuskeln gezielt zu nutzen: Sie könnten die nötige Energie liefern, um technische Hilfsmittel wie Rollstühle oder Prothesen zu steuern.

Die Wissenschafter wollen jetzt eine Apparatur bauen, mit der sich die elektrischen Signale ableiten und weiterverarbeiten lassen. Unterstützt werden sie dabei von dem Unternehmen Otto Bock HealthCare. Das deutsche Forschungsministerium fördert das Projekt mit mehr als 800.000 Euro.

Mit dem neuen System könnten Patienten, die weder Arme noch Beine bewegen können, erstmalig ihre technischen Rehabilitationsmittel mit Hilfe der Ohrmuskeln selbst steuern, sagte Projektleiter David Liebetanz. "Jeder noch so kleine Zugewinn an Autonomie ist für diese Patienten, die bisher bei jeglicher Tätigkeit die Hilfe von anderen benötigen, von großer Bedeutung." (red/APA)