Wer früh vor Ort ist, muss nicht in der Schlange stehen.

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Die "FahrBar" ist ein Lastenfahrrad mit hochklappbarer Verkleidung und Elektromotor.

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Peter Eschberg (links) und Gerhard Ladstätter organisieren an vorderster Front.

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Nur kurzzeitig kann die FahrBar mit Tretkraft bewältigt werden.

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Die Mechaniker kommen von Fahrradinitiativen beziehungsweise Unternehmen, die aus Initiativen hervorgegangen sind. Im Bild: James, seit fünf Jahren Fahrradbote bei Hermes.

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Nicht zu übersehen: "Die Bremsen sind völlig abgefahren."

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30. April 10.00 Uhr am Kutschkermarkt im 18. Wiener Gemeindebezirk. Wer früh vor Ort ist, muss nicht in der Schlange stehen. Wer einfach so vorbeischaut, hat immer noch die Chance, reinzurutschen. Zwei bis maximal drei Radrettungstermine gibt's pro Tag in allen Wiener Bezirken. Bis zu 25 Fahrräder pro Termin schaffen die Mechaniker, die für die Grüne Radrettung im Einsatz sind. Bei jedem Termin an einem markanten Ort im Bezirk werden zwölf Reparaturtermine im Viertelstundenrhythmus vergeben.

Service und kleine Reparaturen

Von Anfang April bis Ende September kümmern sich die Grünen um Fahrräder, Seite an Seite mit engagierten Werkstätten aus der Wiener Radlerszene. Das Service ist gratis, die Radrettung pausiert nur bei Regen und/oder Sturm. "140 Termine würden wir insgesamt schaffen, aber da krachst du aus jedem Loch", sagt Gerhard Ladstätter, der für die Kampagnenkoordination der Grüne Alternative Wien verantwortlich zeichnet. Seit gut sechs Jahren tourt die Radrettung durch alle Bezirke der Stadt. Seitdem wurden mehr als 6.000 Fahrräder gecheckt.

Begründet wurde die Radrettung von Alec Hager von der IG Fahrrad (IGF) und Martin Rotter von den Meidlinger Grünen. Heute zeichnet die IGF für die Organisation der Werkstätten verantwortlich. Die Grünen finanzieren, promoten und organisieren gemeinsam mit Veranstalter Peter Eschberg (MOLE-Production).

Die Radrettungsmechaniker begutachten das Fahrrad, führen ein Service und kleine Reparaturen durch wie das Einstellen von Schaltung und Bremsen, die Kontrolle von Verschleißteilen oder auch einen Schlauchwechsel. Falls größere Reparaturen anstehen, verweist man auf Werkstätten, die in der Nähe des Wohn- oder Arbeitsortes liegen.

"Geschenk an die Wiener Radfahrer"

"Uns ist wichtig, dass die Besitzer der Räder bei der Reparatur dabei sind und nicht nur das Rad abstellen", sagt Eschberg. Er erklärt die Handgriffe und drückt den Wartenden schon einmal einen neuen Schlauch zum Austauschen in die Hand. Beim Warten auf den Reparaturtermin kann man sich am "Radbar"-Tresen mit Grünen Politikern unterhalten.

"Die Radrettung ist ein Geschenk an die Wiener Radfahrer", sagt Ladstätter, "aber natürlich auch eine Gelegenheit, mit der Bevölkerung in Berührung zu kommen." Peter Eschberg ergänzt: "Jede Bezirksgruppe nutzt dieses Vehikel um die Bevölkerung zu erreichen."

Die FahrBar

Apropos Vehikel: Die FahrBar ist ein Lastenfahrrad mit hochklappbarer Verkleidung und Elektromotor, entwickelt und umgesetzt in Zusammenarbeit mit Martin Köck von der ElfKW Elektroleichtfahrzeuge und Andreas Röderer von der Kooperative Fahrrad. Mit dem Schnellladegerät ist der Akku innerhalb von drei Stunden voll.

Mit purer Tretkraft wäre die FahrBar in Anbetracht des Gewichts von Werkzeug, Fahrradaufhängung und sonstigem Material nur schwer von Bezirk zu Bezirk zu bewegen. Dass bis zu drei Radrettungs-Termine pro Tag wahrgenommen werden können, ist auch durch eine Kooperation mit den Heavy Pedals möglich.

Mindestlohn für Mechaniker

Wer sind die Radrettungsmechaniker? "Vorwiegend kommen sie von Fahrradinitiativen beziehungsweise Unternehmen, die aus Initiativen hervorgegangen sind wie IGF, WUK Selbsthilfewerkstatt, Vienna Bikekitchen, Radhaus oder Hermes", erklärt Peter Eschberg. "Jede Werkstätte, die mit uns kooperiert, muss unterschreiben, einen angemessenen Mindestlohn an die Mechaniker zu zahlen", ergänzt Ladstätter. Zu Beginn jeder Saison kontaktiert man die Initiativen. Versuche, kleine, engagierte Fahrradwerkstätten an Bord zu holen, scheiterten bislang an deren Kapazität, "die sind im Frühling und Sommer völlig ausgelastet", bedauert der Kampagnenleiter.

Finanziert wird die Radrettung ausschließlich von den Wiener Grünen . "Das ist mit Abstand die sinnvollste Investition, die man tätigen kann", weiß Ladstätter. Überhaupt macht sich die neue Stadtregierung in der Radrettung bemerkbar: "Seit Rot-Grün die Stadt regiert, steigt die Nachfrage sukzessive", beobachtet der Kampagnenleiter. Ebenfalls als direkte Folge davon sieht er die erstmalige Möglichkeit einer Aufstellung am diesjährigen Bike Festival. "Früher wäre es undenkbar gewesen, bei einer von der Stadt Wien organisierten Veranstaltung dabei zu sein."

Neue Bremsen

Nun ist das Rad der Reporterin an der Reihe. Das Problem? Die Bremsen quietschen so ohrenbetäubend, dass sich die Klingel erübrigt. Sie sind allerdings erst im November erneuert worden...? "Die sind völlig abgefahren", stellt James, der seit fünf Jahren als Fahrradbote für Hermes unterwegs ist, sachkundig fest. "Das kommt vor, wenn man viel fährt, vor allem auch im Winter mit Streusplit und Nässe." Er selbst müsse seine Bremsbeläge phasenweise alle paar Tage erneuern und überhaupt: "Ich warte mein Rad ständig selbst." Weshalb James‘ Reparaturkenntnisse learning by doing-basiert sind. Das Bremsgefühl danach ist jedenfalls ein luxuriös zugkräftiges - und leises. (Eva Tinsobin, derStandard.at, 08.05.2011)