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Nick Clegg ist mit Rücktrittsforderungen konfrontiert.

Foto: Reuters/Toby Melville

Bei den britischen Regional- und Kommunalwahlen haben die Liberaldemokraten eine katastrophale Schlappe erlitten. Auch die Wahlrechtsreform scheiterte. Premier Cameron erklärte, er stehe dennoch zur Koalition.

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Schwarzer Tag für die britischen Liberaldemokraten: Bei den Regional- und Kommunalwahlen auf der Insel luden die Wähler ihren Zorn über das harte Sparprogramm der Regierung ausschließlich beim kleinen Koalitionspartner ab. Landesweit verloren Hunderte von Abgeordneten ihre Sitze, der Stimmanteil schrumpfte um rund zehn Prozent. Auch die Volksabstimmung über die Wahlrechtsänderung, ein Herzensanliegen der Liberalen, ging klar verloren. "Die Ergebnisse sind für uns ein harter Schlag" , gab Parteichef Nick Clegg zu.

In Schottland, einer traditionellen Hochburg des Liberalismus, profitierten die Nationalisten: Ministerpräsident Alex Salmonds SNP-Partei gewann sensationell zwölf Prozent dazu und kann voraussichtlich allein regieren. Nach vorläufigen Ergebnissen errangen die Nationalisten zumindest 65 von 129 Sitzen.

Am Freitag forderte eine Reihe abgewählter liberaler Kommunalpolitiker ihren Vorsitzenden Clegg zum Rücktritt auf. Die Parteispitze demonstrierte hingegen Einigkeit. "Wir müssen stark bleiben und unser Regierungsprogramm fortsetzen" , sagte Finanz-Staatssekretär Danny Alexander.

Unterstützung erhielt der bedrängte Vize-Premier auch von Premierminister David Cameron. "Ich stehe mit ganzer Überzeugung zu unserer Koalition, die auf fünf Jahre angelegt ist" , sagte der Parteichef der Konservativen.

Doch dass der große Koalitionspartner landesweit gute Ergebnisse erzielte, verschärfte die bittere Niederlage der Liberaldemokraten. Clegg und seine Führungsriege fühlen sich zudem von Cameron hintergangen, weil dieser entgegen einer Absprache energisch gegen die geplante Wahlrechtsreform zu Felde zog.

Beim ersten landesweiten Stimmungstest seit der Unterhauswahl vom vergangenen Jahr wurden 9500 Kommunalmandate in England sowie die Landtage der Regionen neu bestimmt. In mehreren Städten, darunter Leicester, Middlesbrough und Bedford, bestimmten die Bürger zudem ihren Bürgermeister.

Rekordniederlage

Einer BBC-Analyse zufolge kam die oppositionelle Labour Party auf 37 Prozent vor den Konservativen (35) und den LibDems (15). "Während die LibDems so schlecht abschnitten wie seit 20 Jahren nicht mehr, befindet sich Labour auf dem Weg der Erholung" , sagte Politik-Professor John Curtice von der Glasgower Strathclyde-Universität.

Davon kann in Schottland freilich nicht die Rede sein. Dort verzeichnete die Partei des letzten Premierministers Gordon Brown ihr schlechtestes Ergebnis seit 80 Jahren. Wahlsieger Alex Salmond, einer der geschicktesten Politiker des Landes, bedankte sich für das "beispiellose Vertrauen der Wähler" und kündigte eine Volksabstimmung über die Unabhängigkeit der britischen Nordprovinz an. Das langgehegte Vorhaben der bisher in einer Minderheitsregierung amtierenden Nationalisten war in der vergangenen Legislaturperiode am Einspruch der anderen Parteien gescheitert.

In Wales legte die Labour Party unter Ministerpräsident Carwyn Jones zu, verpasste die absolute Mehrheit aber knapp. Das endgültige Ergebnis der Volksabstimmung über die Wahlrechtsreform wurde erst für den späten Freitagabend erwartet; in Nordirland dauert es erfahrungsgemäß bis mindestens Samstagnachmittag, bis das zukünftige Kräfteverhältnis der Allparteien-Regierung im Belfaster Landtag feststeht. (Sebastian Borger aus London/DER STANDARD, Printausgabe, 7.5.2011)