
Beide Zeitungen erscheinen monatlich.
Grundsätzlich ist die türkische Medienlandschaft in Österreich genauso heterogen wie die türkische Einwanderergemeinde. Für besonders Religiöse gibt es beispielsweise die "Yeni Hareket", auf Deutsch "Neue Bewegung". Wohin diese neue Bewegung führen sollen wird nicht klargestellt. Beim Lesen wird aber die islamisch-orientierte Richtung augenscheinlich.
Warnung vor Zustrom aus dem "Ostblock"
Zunächst ist davon aber auf der Titelseite der April-Ausgabe von "Yeni Hareket" abgesehen von einer kleinen Werbung für eine Boutique, die Kopftücher für religiöse Frauen anbietet, nichts bemerkbar. Schlagzeile wird nicht mit Religion gemacht, sondern mit Angst vor dem "Zustrom an Arbeitern aus dem Ostblock." In großen Lettern wird gefordert, dass die Zukunft der Arbeiter sich nicht verdüstern darf. Gemeint sind damit nicht die Arbeiter aus den neuen EU-Ländern, sondern die österreichischen Arbeiter. Wie bei der Kronen-Zeitung wird auch hier die Angstmache vor dem Verlust des Arbeitsplatzes und vor Lohn-Dumping als Aufmacher verwendet. Dabei wird in Frage gestellt, ob die Maßnahmen der österreichischen Regierung gegen Lohn-Dumping und den drohenden Arbeitsplatzverlust langfristig gesehen Wirkung zeigen werden.
Vorbild AKP-Regierung
Die türkische AKP-Regierung wird bei der "Yeni Hareket" weniger kritisiert. Kolumnist Tarafa Baghajati, Obmann der Initiative muslimischer ÖsterreicherInnen (IMÖ) lobt die Regierung von Recep Tayip Erdoğan als vorbildhaft für einen Systemwechsel in Syrien. Auch die Islamische Glaubensgemeinschaft kommt gut weg, ihre Mitgliederanzahl habe sich auf mehr als 100.000 erhöht, verlautet eine Meldung. Weniger zufrieden ist man mit manch österreichischen Politikern. Kritisiert wird zum Beispiel die ÖVP-Stadträtin Isabella Leeb für einen Auftritt vor der Flagge der verbotenen Terrororganisation PKK während der kurdischen Newroz-Feierlichkeiten in Wien. Unter den Gästen habe sich laut "Yeni Hareket" auch SP- und FP-Abgeordnete befunden.
Religiöse Frömmigkeit
Kritisiert wird auch die türkische Tageszeitung Hürriyet, säkular-kemalistisch ausgerichtet, die am 4. April 2011 eine Forderung des Bundespräsidenten Fischers nach der Absetzung des türkischen Botschafers Tezcan publik machte, die sich laut "Yeni Hareket" nicht als wahrheitsgemäß herausstellt. Neben anderen Meldungen zur österreichischen Innenpolitik wie dem ZARA-Report über die Diskriminierung von Frauen mit Kopftuch und der Einführung von Türkisch als Maturafach widmet sich "Yeni Hareket" auch religiösen Fragen.
Die einzige Kolumnistin (mit Kopftuch) hat sich auf das Seelenheil der Leser spezialisiert und macht auf die Kraft des Gebetes aufmerksam, die auch und besonders in "dunklen Zeiten" Trost und Zuversicht spende. Da passt auch gut der Bericht zu Eis und Alkohol rein. Gewarnt wird vor Eissorten wie Vanille, Kokos, Pistazie und Eismarillenknödel vom Tichy am Reumannplatz. Fruchtige Eissorten wie Zitrone aber auch Haselnuss- und Schokolade-Eis können von besonders religiösen Einwanderern jedoch bedenkenlos verzehrt werden, ist in der "Yeni Hareket", die in einer Auflage von 15.000 Stück erscheint, zu lesen.
Liberale "Neue Heimat"
Die "Yeni Vatan", auf Deutsch "Neue Heimat"-Zeitung erscheint seit 1999 in einer Auflage von 50.000 Stück und wird wie die "Yeni Hareket" gratis an Moscheen und in Geschäften verteilt oder an Abonnenten verschickt. Beide Zeitungen finanzieren sich durch Werbeinserate, u.a. von der WKO oder der AK, und bezeichnen sich als politisch unabhängig.
Die "Yeni Vatan" bezeichnet sich als liberal-rechtstaatlich orientiert. Vor Eis mit Alkoholanteil wird nicht gewarnt. Dafür gibt's Werbung für ein österreichisches Wildspezialitäten-Geschäft im 23. Bezirk. Behandelt werden aber auch politische Themen, wie der OSZE-Bericht über Pressefreiheit in der Türkei, der die Festnahme von Journalisten bemängelt. Im Gegensatz zur "Yeni Hareket" kommt hier etwas Kritik an der türkischen Regierung zum Ausdruck.
Nicht gerade kritisch
Ansonsten ähneln sich aber die Themen, aktuelles Tagesgeschehen in der österreichischen Politik wird genauso behandelt wie Tipps für das berufliche Leben und die Gesundheit. Der Unterschied liegt aber in der religiösen Ausrichtung, die bei der "Yeni Vatan" nicht gegeben ist. Dennoch werden auch hier der Religion und religiösen Feiertagen mehrere Seiten gewidmet, bemüht ist man hier aber den Islam als liberal darzustellen und kritisiert dabei vor allem "Scharia-Tendenzen" aus Saudi-Arabien.
Beide Zeitungen berichten auch über die zunehmende Türkenfeindlichkeit in Österreich, der türkische Patriotismus hingegen wird von keiner der beiden Zeitungen allzu sehr in die Mangel genommen. Vertreter von türkischen, meist männerdominierten Vereinen kommen auch ziemlich gut weg. Wünschenswert wäre jedoch auch eine innere Kritik aus und gegenüber den eigenen Reihen in der austro-türkischen Medienlandschaft