Wien / Addis Abeba - Bevor sich Wenzel Waldstein auf sein Medizinstudium in Heidelberg konzentrierte, ging er in die Welt hinaus - und kam nach Äthiopien. 2005 arbeitete er als freiwilliger Helfer in einem Waisenhaus in der Hauptstadt Addis Abeba. Die gemachten Erfahrungen waren folgenreich für den heute 26-Jährigen und seinen Bruder Moritz.

Der Lebensalltag der Mädchen, die das Heim mit 18 Jahren verlassen müssen und oftmals in der Prostitution landen, beschäftigte das von Geburt an privilegiertere österreichische Brüderpaar. Die Studienmöglichkeiten - Moritz studierte zunächst in Wien und dann an der ESCP Europe in Paris, London und Berlin "Internationales Management" - erlaubten ihnen, ihre Träume und Ideen zu verwirklichen.

Die Gebrüder Waldstein setzten einen Prozess in Gang, der in der Gründung des gemeinnützigen Vereins "Project-E" (Ethiopia, Education) im Jahr 2007 den ersten Höhepunkt erfuhr. "Wir wollten zur Veränderung der Situation der sozial bedürftigen Frauen beitragen und wussten: Das geht nur über Bildung", sagt der 28-jährige Moritz, der 2007 sein Studium beendete. Der Anstoß für den Aufbau einer Sekretärinnenschule war das Ergebnis einer Studie, das einen Mangel an gut ausgebildeten Büroassistentinnen zeigte.

Entwicklungszusammenarbeit

Moritz lebt heute in Berlin und sieht die Vorurteile bezüglich Entwicklungszusammenarbeit aus Sicht der Europäer in der Abhängigkeit der "Ärmeren": "Manche denken, den Menschen gehe es so schlecht, die sollen froh sein, wenn man ihnen überhaupt hilft. Dabei kann man oft mehr kaputt machen, als Gutes leisten."

In der kritischen Auseinandersetzung mit dem problematischen Begriff "Entwicklungshilfe" formuliert er den Sinn der "Bildungsarbeit" in Äthiopien. Diese müsse gelebt werden und funktioniere nur in der beidseitigen Erfüllung der Rechte und Pflichten . "Solange es ein erklärtes, nachhaltig erreichbares Ziel gibt, ist Entwicklungsarbeit wichtig und richtig. Fragwürdig ist sie in Ländern wie China, wo es im Kern nicht um grundlegende Probleme wie Bildung und Gesundheit geht."

Die größten anfänglichen Her-ausforderungen für "Project-E" - 25 aktive Mitglieder arbeiten heute für die Nichtregierungsorganisation - lagen in der Beschaffung von 100.000 Euro und in der Überwindung bürokratischer Hürden. Auch darin: überhaupt anzufangen, immer wieder kreativ zu sein. Spendenwillige konnten in einem Online-Shop Ziegelsteine, Tische oder Unterrichtsmaterialien kaufen und gezielt den 2008 begonnenen College-Bau finanzieren. Ein Jahr später besuchten 15 Mädchen zwischen 17 und 23 Jahren das "New Life Community College".

Das Team wuchs dank freiwilliger Helfer stetig an. 2009 begann der 24-jährige Felix Lung, er studiert "International Relations" in Berlin, als Volunteer. Nun leitet er seit Anfang 2011 mit Moritz und Wenzel das Projekt und besorgt unter anderem die Öffentlichkeitsarbeit. "Schwierig ist es, lokale Unternehmen zu überzeugen, dass sie in die Ausbildung ihrer zukünftigen Angestellten investieren wollen", sagt der Deutsche.

Wirtschaftlich nachhaltig

Die Finanzierung des Projekts fußt auf wirtschaftlicher Nachhaltigkeit, bis 2014 soll es von Spendern unabhängig sein und sich in den regionalen Wirtschaftskreislauf einfügen. Dies macht eine Kooperation mit äthiopischen Unternehmen möglich, bei denen die ausgebildeten Frauen Anstellung finden und einen Teil ihres Gehalts der Schule zurückzahlen.

"Project-E" sucht regelmäßig Studierende, die sich als Volunteers in Äthiopien engagieren. (Sebastian Gilli, UNISTANDARD, Printausgabe)