Als Debakel der Sonderklasse bezeichnen ÖBB-Manager die Performance der Rail Cargo Austria in Italien. Weil Abschreibungen "vergessen" wurden, braucht Linea eine zweite Finanzspritze.

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Wien - Das Debakel der ÖBB-Gütersparte Rail Cargo Austria (RCA) in Italien ist größer, als zugegeben. Eine von Wirtschaftsprüfer PriceWaterhouseCoopers durchgeführte Sonderprüfung beim italienischen RCA-Ableger Linea hat ergeben, dass die im Juni 2010 (für die Bilanz 2009) durchgeführte Rekapitalisierung um rund 1,5 Millionen Euro nicht ausreicht.

Die 2008 um rund 4,4 Mio. Euro erworbene Schienentransportgesellschaft braucht noch eine Geldspritze. Als Gründe werden in hohen RCA-Kreisen Mängel in der Bilanz 2010 genannt, konkret: Die Abschreibung einer uneinbringlichen Forderung von 700.000 Euro sei nicht vorgenommen, vermutlich "vergessen" worden, wie es heißt. Damit ist allerdings die Kapitalmaßnahme im Jahr 2010 - war notwendig, damit Linea s.p.a. ihre Lizenz zum Zugfahren nicht verliert - großteils vertilgt und muss wiederholt werden. Zugeschossen wurden nun 1,2 Mio. Euro, obwohl der Bilanzverlust mit 1,7 Mio. Euro beziffert wird.

Beteiligung und Schulden

In Summe musste RCA für die unter dem 2010 verabschiedeten RCA-Vorstandstrio Friedrich Macher, Ferdinand Schmidt und Günther Riessland gestartete Linea gut sieben Mio. Euro aufwänden. Exklusive der Schwierigkeiten mit den italienischen Partnern, versteht sich, die kosteten extra. Altgesellschafter FVH zum Beispiel (hielt 33 Prozent) hinterließ nicht nur die 700.000 Euro Forderungsausfall. Zuvor hatte der Flüssiggashändler seinen 20-Prozent-Anteil an RCA verpfändet und dafür ein Darlehen erhalten. Einzutreiben versucht hat das Geld offenbar niemand, dafür hält RCA nun 88 Prozent an Linea - und die Schulden. Denn das Vehikel fährt auch 2011 Verluste ein.

Als Konsequenz dieses Debakels hat RCA nun den für Vertrieb zuständigen Linea-Geschäftsführer Franco Pastorino außer Funktion gesetzt. Das ist insofern bemerkenswert, als Pastorino den Zwölf-Prozent-Anteil von Linea-Miteigentümer Pastorino repräsentiert.

Auch der Linea-Finanzchef ist bereits so gut wie weg: Der im Februar 2010 von Ex-RCA-Chef Macher zum Aufräumen nach Venetien entsandte Johannes Kasal ist ab Juni im Kabinett von Vizekanzler Michael Spindelegger für Wirtschaftsfragen zuständig. Ob er für 2010 die versprochenen 50.000 Euro Erfolgsprämie (bei 150.000 Euro Jahresgage) und den restlichen Vertrag bekommt, ist offen. Die ÖBB schweigt dazu. Man verhandle über Kasals Ausstieg.

Schuldenvehikel dreht sich

Entrümpeln, aber nicht zu viel, könnte auch bei der ÖBB-Konzernbilanz 2010 die Devise gewesen sein. Hätte die ÖBB-Infrastruktur ihre aufgrund massiven Frachteinbruchs weniger befahrenen Anlagen abschreiben müssen, wäre der Jahresabschluss noch dunkelroter geworden. Dank Zuschussverträgen und Rundum-Garantie durch die Republik mussten aber keine Wertminderungstests mehr durchgeführt werden. Abwertungen erspart haben dürfte im Personenverkehr die Senkung der Zinssätze. Eigen- und Fremdkapitalzinssatz wurden von 7,7 Prozent auf 6,14 bzw. 2,39 Prozent reduziert. Der Diskontierungszinssatz ab 2017 ("ewige Rente") beträgt 3,65 Prozent statt 6,7 - tiefer geht es kaum. Für die Politik ist das komfortabel, das Schuldenvehikel dreht sich weiter. (ung, DER STANDARD, Print-Ausgabe, 7./8.5.2011)