Angeblich streng geheimes und zugleich gezielt decouvriertes Treffen der EU-Finanzminister am vergangenen Freitag in Luxemburg; zu Gast auch der Präsident der Europäischen Zentralbank, Jean-Claude Trichet. Offenbar soll die europäische Öffentlichkeit durch diese Theatralik auf etwas Besonderes vorbereitet und eingestimmt werden. Es geht um einen gewichtigen Schritt zurück, um den Austritt von Griechenland, dem Geburtsland Europas, aus der europäischen Währung und um die Rückkehr der Hellenen zur alten griechischen Drachme. Es geht um die Konsequenzen daraus, dass der Euro-Stabilitätspakt ein „Enteignungsprogramm für Nordeuropa" mit dem „Zahlmeister Deutschland" ist.

Und dies vor dem Hintergrund, dass die Deutschen selbst schon über ihre Verhältnisse leben und immense Staatsschulden aufgehäuft haben - und das nicht erst seit gestern. Neben der Rettung Griechenlands war auch schon umfassende Hilfe für das klamme Irland und das ebenfalls bankrotte Portugal angesagt; die wahrscheinlich erforderliche finanzielle Sanierung Italiens oder gar Spaniens würde den nordeuropäischen Mitgliedern der Euro-Zone aber endgültig das finanzielle Rückgrat brechen. Eine solche Beatmung mit frischen Euros wäre aber, wenn man bei Licht und genauer hinschauen würde, wohl ebenfalls vonnöten.

Während in der EU noch verhandelt wird, schreiten die USA bereits zur Tat

Da hilft es wenig, wenn die Euro-Staaten „Feuer" beim Nachbarn schreien und alle Aufmerksamkeit von raffgierigen internationalen Spekulanten auf die ebenfalls grandios überschuldeten USA zu lenken versuchen. Die Vereinigten Staaten sind eben ein zu einem Bundesstaat vereinigter Staatenbund und stellen ihre politische Handlungsfähigkeit in zentralen Bereichen immer wieder eindrucksvoll unter Beweis. Während in Europa über mögliche Erdbeben und die Wahrscheinlichkeit von Tsunamis in der Nord- und Ostsee gefachsimpelt wird und mit Blick auf die Reaktorkatastrophe in Fukushima die Debatte um einen sofortigen Atomausstieg wochenlang die Tagespolitik dominierte, sind Tausende US-Marines den Japanern mitten im Katastrophengebiet tatkräftig zu Hilfe geeilt.

Während Europa angesichts der sich abzeichnenden Bürgerkriege in den Maghrebstaaten, in Syrien, im Jemen und in Bahrain zerstritten und als Union gelähmt erscheint, sind die USA punktuell vor Ort und haben im Verbund mit den wie aus Europa herausgelösten Franzosen und Briten zumindest in Libyen Massaker an der Bevölkerung vorläufig verhindern können.

Während in Europa ein veritabler Bundespräsident mit seinem Rücktritt die Konsequenz daraus zog, dass es politisch ganz unkorrekt ist, internationale Militäreinsätze auch mit der Verteidigung von Handelswegen und dem Zugang zu elementaren Ressourcen und Märkten zu begründen, ist dergleichen für die Amerikaner eher ein Interventionsgrund, denn ein Hindernis, aktiv zu werden.

Dabei hatte sich der alte Kontinent nach Jahrhunderten kriegerischer Auseinandersetzungen und zwei Weltkriegen noch im 20. Jahrhundert aufgerafft, zu einer Union freier und gleichberechtigter Staaten heranzureifen. Die Krönung sollte die maßgeblich zwischen dem damaligen französischen Staatspräsidenten Francois Mitterand und dem ehemaligen Bundeskanzler Helmut Kohl vereinbarte europäische Einheitswährung werden, die unvermutet auch zum Preisgeld für die Zustimmung Frankreichs zur deutschen Einheit wurde. Nie, so hatte Kohl die Franzosen wissen lassen, würden die Deutschen als wiedervereinigte und damit größte Nation in zentraler geopolitischer Lage sich gegen die eigene Währung erheben.

Als Ausgleich für den auch emotional schwierigen Abschied von der erfolgreichen D-Mark versuchten die Deutschen, ihre Vorstellungen von Währungsstabilität und einer unabhängigen Notenbank auch in Europa durchzusetzen. Seit die Deutschen aber als Erste mit ihren Haushaltsdefiziten und Kreditaufnahmen selbst gegen die Euro-Stabilitätskriterien verstießen, gab es auch bei den romanischen Ländern kein Halten mehr und die Buchführungen der Finanzminister wurden immer „kreativer" gestaltet. Mit ihrer Zustimmung zum Aufkauf von maroden Staatsanleihen durch die Notenbank gab die amtierende Bundesregierung dann endgültig grünes Licht für die Zerfledderung des Images der Einheitswährung.

Logistisch kaum in der Lage, gewichtig aufzutreten

Jean-Claude Juncker, trickreicher und multilingualer Luxemburger Premier und Euro-Gruppen-Chef, sieht als Vertreter eines Kleinstaates europäische Errungenschaften in Gefahr; sein Diktum „wir wollen nicht, dass der Euro-Raum explodiert" zielt auch darauf ab, das mühsam errungene Mitspracherecht der kleinen Länder in Europa zu erhalten. Denn eine Staatenunion, die mit einem Rüstungsetat von immerhin 300 Milliarden Euro (USA: 350 Milliarden) und 1,9 Millionen Soldaten (USA: 1,5 Millionen) wegen ihres nach wie vor kleinstaaterischen Gehabes mit einer fehlenden Koordinierung ihrer Verlegungs- und Transportkapazitäten und der Unfähigkeit zu einer koordinierten Rüstungspolitik (in Britannien, Frankreich und Deutschland werden jeweils eigene Panzer entwickelt und gefertigt) gerade einmal ein paar Flugzeuge zu den NATO-Einsätzen in Libyen beisteuern kann (Dänemark z.B. bringt 6 Maschinen in die Luft) und die logistisch kaum noch in der Lage ist, international gewichtig aufzutreten, macht sich nicht nur lächerlich, sondern auch noch immer tiefer existenziell abhängig von der westlichen Schutzmacht USA.

Nun versucht man beim Thema Euro-Rettung dem Publikum vorzugaukeln, man käme um eine gravierende Umschuldung oder auch einen zumindest zeitweisen Austritt Griechenlands aus dem Währungsverbund herum. Es macht den Eindruck, als könnte aus dem alten Kontinent als gewichtiger politischer Einheit nur dann noch etwas werden, wenn der schwierige Weg in eine bundesstaatliche Formierung eingeschlagen wird. So wie sich die Deutschen einst erst spät als Nation vereinten, so könnte es auch für die europäischen Völker von Nachteil sein, als Union auf der weltpolitischen Bühne verspätet zu sein. Dann könnte Europa im Vergleich mit China, Indien und den USA weiter an Einfluss verlieren und gewaltig zurückbleiben. (derStandard.at 9.5.2011)