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Sicheren Schrittes aus der Air Force One: Barack Obama nützte die Operation in Abbottabad, um sich ganz als Staatsmann zu präsentieren. Zugleich erhöhte er den Druck auf Pakistans Regierung.

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Amal Ahmed al-Sadah, Osama Bin Ladens fünfte Frau.

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Präsident Obama hat in einem Interview Einblick in den Entscheidungsprozess gegeben, der zur Kommandoaktion gegen Bin Laden führte. Seine Botschaft dabei: Seht her, ich bin ein Entscheider und kein elitärer Zauderer.

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Er war nervös, die Erfolgschancen standen bei 55 zu 45, nicht höher. "Es waren die längsten vierzig Minuten meines Lebens" , sagt Barack Obama. Ähnlich angespannt sei er nur gewesen, als seine Tochter Sasha im Alter von drei Monaten eine Hirnhautentzündung hatte und er darauf wartete, wie die Ärzte ihren Zustand beurteilen würden.

Zum ersten Mal sprach der US-Präsident öffentlich darüber, was er während der riskanten Kommandoaktion in Pakistan empfand. Als die Hubschrauber der Navy Seals am 1. Mai vor dem Haus Osama Bin Ladens landeten, hätten die Versammelten im fensterlosen Lageraum des Weißen Hauses durchaus auch mit einem Scheitern rechnen müssen. Nie sei klar gewesen, ob der Gesuchte tatsächlich in Abbottabad lebte. Die Beweise seien zu keiner Zeit absolut schlüssig gewesen, es habe beispielsweise kein Foto gegeben, das Bin Laden zweifelsfrei identifizierte. Einmal angenommen, die Spezialeinheit hätte an Stelle des Topterroristen einen Prinzen aus Dubai gefunden - "dann haben wir ein Problem".

Ruhig und selbstsicher wirkt Obama in dem fast einstündigen Interview mit Steve Kroft, einem Korrespondenten des TV-Senders CBS. Die Erleichterung steht ihm ins Gesicht geschrieben, es ist das Aufatmen nach einer Zitterpartie. Der Einsatzbefehl für die Navy Seals sei eine der "schwersten Entscheidungen" seines Lebens gewesen, bekennt der 49-Jährige und spricht von Differenzen im engsten Beraterkreis. Einige seiner Vertrauten hätten die Absicht, Soldaten weit ins Innere Pakistans zu beordern, für zu gewagt gehalten. Manche Bedenken habe er durchaus geteilt, jedoch nach gründlichem Abwägen entschieden, dass der Plan mehr Vorteile biete als Nachteile.

Mut und Instinkte

Ein Präsident, der mutig seinen Instinkten vertraut - das ist die eigentliche Botschaft des Fernsehauftritts. Von Kritikern zum notorischen Zauderer gestempelt, empfindet Obama sichtlich Genugtuung darüber, dass er das Bild korrigieren kann, das Sarah Palin und die Tea-Party von ihm zeichnen. Über der Art, wie sich der frühere Professor für Verfassungsrecht präsentiert, liegt ein Hauch von George W. Bush, der sich gern als "Entscheider" charakterisierte. Nur klingt Obama überlegter, nicht so burschikos wie Bush. Im Plauderton gewährt er den Amerikanern einen Blick hinter die Kulissen des Oval Office, wo nichts auf den Schreibtisch kommt, was mit einem einfachen Ja oder Nein zu beantworten wäre.

Zugleich nutzt Obama das Gespräch mit Kroft, um den Druck auf Pakistan zu erhöhen. Er fordert die Regierung in Islamabad zu Ermittlungen auf, um herauszufinden, wieso Bin Laden fünf oder gar sechs Jahre in der Garnisonsstadt Abbottabad abtauchen konnte. "Wir glauben, dass es ein Unterstützer-Netzwerk in Pakistan gab" , sagt Obama. Unklar sei noch, ob Bin Ladens Helfer aus der Regierung selbst stammten. "Das ist etwas, was wir untersuchen müssen, und noch wichtiger: was die pakistanische Regierung untersuchen muss."

Thomas Donilon, der nationale Sicherheitsberater, formuliert es derweil konkreter. Pakistan, verlangt er, müsse US-Experten gestatten, mit den drei Witwen des Terrorpaten zu sprechen. Die Frauen dürften wissen, wer Bin Laden im Laufe der Jahre besuchte, wer die praktischen Dinge für ihn regelte. Führende Außenpolitiker in Washington warnen indes davor, den südasiatischen Partner allzu sehr in die Enge zu treiben; das Ergebnis könnte kontraproduktiv sein. Sogar bei der Jagd nach Bin Laden seien die Pakistanis hilfreich gewesen, stellenweise hätten sie mit der CIA kooperiert, betont John Kerry, Vorsitzender des Senatsausschusses für Auswärtiges.

Fragen, ob man Bin Laden überhaupt lebend fangen wollte, nach der Rechtmäßigkeit der Aktion - in Obamas Gedankenwelt spielte das nur eine untergeordnete Rolle. Was mit dem Mann geschehe, wenn man ihn erst gefasst habe, habe ihm keine schlaflosen Nächte bereitet, lässt er wissen. Osama Bin Laden habe auf US-Boden Massenmord begangen. "Jeder, der bezweifelt, dass er nicht verdiente, was er bekam, sollte sich am Kopf untersuchen lassen." (Frank Herrmann aus Washington/DER STANDARD, Printausgabe, 10.5.2011)