Langfristig setzt Google auf ChromeOS - und damit auf ein Betriebssystem, bei dem praktisch alle Anwendungen im Web laufen.

Foto: Andreas Proschofsky

Angry Birds gibt es künftig auch im Chrome Web Store, diese hat einige exklusive im Chrome-Stil gehaltene Levels.

Foto: Andreas Proschofsky

Eines der ersten "Chromebooks" soll von Samsung kommen - ab dem 15. Juni.

Foto: Andreas Proschofsky

Auch wenn man bei einem Gang durch die Hallen des Moscone Center West in San Francisco schon mal einen anderen Eindruck bekommen kann: Google hat neben Android noch zahlreiche andere Software im Angebot. Dem zweiten großen Schwerpunkt der EntwicklerInnenkonferenz Google I/O widmete man dann auch die gesamte Mittwochs-Keynote: Google Chrome und das Linux-basierte Betriebssystem ChromeOS, das ganz und gar auf Online-Anwendungen ausgerichtet ist.

Zahlen

Sundar Pichai, bei Google als Vizepräsident für alle Chrome-Fragen zuständig, lieferte zum Einstieg zunächst einmal einige Zahlen, die zeigen, dass der Browser im letzten Jahr ein beeindruckendes Wachstum hingelegt hat. Hatte Google Chrome vergangenes Jahr noch rund 70 Millionen aktive NutzerInnen, ist diese Zahl mittlerweile auf 160 Millionen angewachsen. Diesen Erfolg führt man nicht zuletzt auf den aggressiven Zeitplan zurück, mit dem man zwischenzeitlich alle sechs Wochen neue Features an die NutzerInnen ausliefert.

HTML5

Pichai lobte dabei auch die Bemühungen anderer Hersteller HTML5 weiter voranzutreiben, wovon das Web als Ganzes profitiere - und immerhin sei dies die aktuell wichtigste Plattform, wie Vic Gundotra, Vizepräsident "Social" bei Google, der auch heute wieder durch das Programm führt, in seinen einleitenden Worten schon betonte.

Sprache

Danach folgte die Demonstration einiger aktueller Features in Chrome, wie etwa die vor kurzem aufgenommene Spracheingabe, die man gleich mit einer Google-Translate-Übersetzung von Englisch nach Chinesisch demonstriert - samt folgender Sprachausgabe. Eine der zentralen Stärken von Chrome ist sicher die Performance, vor allem die rasanten Verbesserungen bei Javascript hätten hier ganz neue Klassen von Anwendungen ermöglicht, zeigt sich Pichai überzeugt.

GPU

Ein aktuelles Performance-Thema ist die Nutzung der GPU zur Hardwarebeschleunigung des Browse - was vor allem für Spiele äußerst relevant ist. Den Unterschied zu einem Browser, der die GPU nicht nutzt, demonstrierte man übrigens anhand des "FishTank"-Demos von Microsoft, wo die Hardwarebeschleunigung eine Verbesserung um den Faktor 10 bringt. Damit ließen sich jetzt Spiele kreieren, die noch vor einem Jahr undenkbar gewesen wären, so Pichai.

Web Store

Auch den vor einigen Monaten gelaunchten Chrome Web Store sieht man - trotz all der Kritik - durchaus als Erfolg. Die NutzerInnen würden nun im Schnitt doppelt so viel Zeit in Online-Anwendungen verbringen als zu vor. Mittlerweile sei der Web Store übrigens bereits in 41 Sprachen verfügbar.

Verkauf

Neu verkündete man In-App-Verkäufe, mit denen Web-EntwicklerInnen unkompliziert - Google spricht von einer Zeile Code - zusätzliche Einnahmequellen für ihre Online-Anwendungen erschließen können. Für Szenenapplaus sorgte die Ankündigung, dass Google hier nur 5 Prozent der Einnahmen für sich haben will - bei mobilen Plattformen wie Android und iOS liegt dieser Wert üblicherweise bei 30 Prozent.

Angry Birds

Als erster externer Gast durfte dann Softwarehersteller Rovio auftreten, der eine kleine Überraschung in petto hatte: Angry Birds gibt es ab sofort auch im Chrome Web Store, lässt sich also direkt im Browser spielen. Zur Umsetzung greift man auf WebGL zurück, wird dies auf einer Plattform nicht unterstützt, nutzt das Spiel Canvas. Dank Hardwarebeschleunigung soll auch die HD-Version des Spiels auf halbwegs aktuellen Rechnern konstant mit 60 Bildern pro Sekunde ruckelfrei laufen.

Offline

Die Web-Version von Angry Birds kann übrigens auch offline gespielt werden, hier nutzt man aktuelle HTML5-Möglichkeiten.Zudem gibt es einige Chrome-spezifische Levels, die sonst auf keinen anderen Plattformen verfügbar sind - und ganz im Stil des Browsers gehalten sein. Von der Chrome-Version zeigte sich auch Sundar Pichai besonders angetan, könne er so doch endlich seinen Kindern erklären, dass er wirklich etwas sinnvolles mache.

Ausblick

Was folgt war eine kleine Vorschau darauf, was künftig alles im Browser möglich sein wird. Ein live erstellter Filme nutzte 3D-Grafiken und Shader-Effekte, ein "Model Viewer" zeigte die Darstellung von 3D-Wireframe-Grafiken direkt im Browser. Pichai betonte im Anschluss, dass man damit langsam dem eigenen Ziel immer näher komme - dass Web-Anwendungen kaum mehr von lokalen Programmen unterscheidbar sind.

ChromeOS

Damit hatte man natürlich die passende Überleitung zu ChromeOS gefunden, mit dem man sich ganz auf das Web als Plattform konzentriert. Eine Beschränkung, die man auch gleich nutzt viel Legacy-Technologien über Bord zu werfen. So sei etwa jedes "Chromebook" praktisch umgehend verfügbar, wenn man es öffne. Selbst der ursprüngliche Boot brauche gerade einmal acht Sekunden. Im Gegensatz zu klassischen Betriebssystemen werde ChromeOS über die Zeit sogar schneller, einerseits weil man Web-Anwendungen immer flotter mache, aber auch weil man den Browser selbst stetig optimiert. Updates für das System werden wie bei Google Chrome automatisch ausgeliefert.

Nachfrage

Eine stabile Version von ChromeOS gibt es bislang zwar noch nicht, das Pilotprogramm mit den eigenen Cr-48-Laptops sieht man aber schon mal als Erfolg an - mehr als eine Million Personen hätten sich dafür beworben. Nicht zuletzt dank dem dort gesammelten Feedback habe man einige aktuelle Verbesserungen vorgenommen. Dazu gehört ein eigener File-Manager, auch mit externen Geräten kann das Browser-Betriebssystem nun endlich umgehen. Web-Anwendungen können sich für einzelne Dateitypen registrieren, so dass Fotos, Dokumente und Co. direkt aus dem File-Browser auf die passenden Online-Services hochgeladen werden können.

Offline

Als weitere kritische Komponente für den Erfolg von ChromeOS sieht man den Offline-Support an, immerhin sollen die Anwendungen ja auch ohne aktive Internetverbindung funktionieren. So sollen denn auch im Sommer neue Versionen von GMail, Google Docs und Google Calender ausgeliefert werden, die offline genutzt werden können.

Hardware

In Folge kam dann worauf wohl viele gewartet hatten: Die Ankündigung der ersten im Handel verfügbaren Geräte mit ChromeOS. So wird das erste "Chromebook" von Samsung kommen, auch Acer will einen entsprechendes Device bringen. Verfügbar sollen diese unter anderem bei Amazon ab dem 15. Juni sein. Der Start wird zunächst in den USA und sechs anderen Ländern erfolgen - darunter Großbritannien, Deutschland und Spanien.

Kosten

Als Preis gibt man für das Samsung-Notebook - den Begriff Netbook vermeidet man mittlerweile - 429 US-Dollar an, dies für die WLAN-Version. Mit 3G-Support schlägt dieses mit 499 US-Dollar zu Buche. Das Acer Chromebook soll es schon ab 349 US-Dollar zu kaufen geben.

Business

Schon in den letzten Monaten hatte sich abgezeichnet, dass Google gerade im Business-Bereich eine besondere Chance für ChromeOS sieht. Entsprechend hatte man hier auch ein neues Angebot zu bieten: Mit der "Chromebox" for Business bekommen Firmen ein fertiges Hardware- und Softwarepaket, bei dem sich Google um alle Details kümmert. Eine eigene kleines Box sorgt für das Management der Logins und die Administration. Pro NutzerIn kostet das Ganze dann 28 US-Dollar, Google kümmert sich dafür dann auch um allfällige Hardwareupgrades.

Umstieg

Studien in Zusammenarbeit mit diversen großen Unternehmen hätten ergeben, dass 78 Prozent der Angestellten schon jetzt auf ChromeOS wechseln können, so Google. Dies natürlich nicht mit einem "puren" ChromeOS sondern in Kombination mit Desktop-Virtualisierungslösungen von VMware oder Citrix, die die Nutzung von Legacy-Programmen direkt im Browser erlauben.

Bildung

Als zweite Wachstumshoffnung hat man den Bildungsbereich ausgemacht. Hier wird es ein ähnliches Angebot geben, dies allerdings schon um 20 US-Dollar. Beide Chromebox-Angebote sollen ebenfalls ab dem 15. Juni erhältlich sein, die Startländer sind deckungsgleich mit den zuvor genannten Notebooks.

Oprah

Hatte es am ersten Tag der I/O gleich ein Samsung Galaxy Tab 10.1 für alle BesucherInnen gegeben, wollte man sich auch am Mittwoch nicht lumpen lassen. So sollen alle TeilnehmerInnen nach der Konferenz auch noch ein Chromebook bekommen, immerhin würden viele der Anwesenden die Zukunft des Webs mitbestimmen, streute Sundar Pichai den Anwesenden Rosen. (Andreas Proschofsky aus San Francisco, derStandard.at, 11.05.11)