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In Österreich geben Frauen mit Matura oder Hochschulabschluss in fast jedem Alter nur halb so viele gesundheitlische Beschwerden an wie Frauen mit Pflichtschulabschluss.

Foto: APA/Daniel Maurer

Wien - Bildung ist ein zentraler Schlüssel für die Bewältigung der Zukunft, auch wenn es ums Altern von Menschen und Gesellschaften geht. Diese Überzeugung vertrat der Demograph Wolfgang Lutz anlässlich des Symposiums "Gesundes Altern als Chance?", das er für die Österreichische Akademie der Wissenschaften (ÖAW) am Dienstag in Wien organisiert hat. Höher Gebildete blieben länger gesund, würden länger arbeiten und könnten durch höhere Produktivität die abnehmende Zahl an jungen Menschen kompensieren, so Lutz.

Lineares Ansteigen der Lebenserwartung

Bisher ist man in Prognosen davon ausgegangen, dass die Lebenserwartung nur noch wenig ansteigt. Doch die Realität hat die Annahmen vielfach überholt: "Im wesentlichen ist ein fast lineares weiteres Ansteigen zu beobachten, auch wenn in einigen Ländern eine Abflachung zu beobachten ist, die sehr stark mit dem Rauchverhalten zu tun hat", so Lutz, der Institute bzw. Programme an der ÖAW, am Institut für angewandte Systemanalyse (IIASA) und der Wirtschaftsuni Wien leitet. In der Bevölkerungswissenschaften gibt es in dieser Frage eine große Kontroverse: Die Optimisten meinen, dass Menschen auch 115 oder 120 Jahre alt werden können und es vielleicht gar kein Limit gibt, die Pessimisten glauben, dass Umweltverschmutzung, ungesunder Lebensstil, etc. zu einer Abflachung und vielleicht sogar Rückgang der Lebenserwartung führen werden.

James Vaupel, Direktor des Max-Planck Instituts für Demographische Forschung in Rostock, gehört zu den Optimisten und belegte bei dem Symposium seine Ansicht u.a. mit der Lebenserwartung in Österreich. Diese ist zwischen 1950 und 2008 bei Frauen von 67 auf 83 Jahre und bei Männern von 62 auf knapp 78 Jahre gestiegen. Oder anders ausgedrückt: eine 65-jährige Frau hatte 1950 im Schnitt noch knapp 14 Jahre Lebenserwartung vor sich, 2008 waren es schon 21 Jahre. 65-jährige Männer konnten sich 1950 noch auf zwölf Jahre freuen, 2008 bereits auf knapp 18 Jahre.

Verbleibende Lebenserwartung als Maß

Diese letztgenannten Werte sind Ausdruck eines neuen Trends, das Alter nicht mehr als die Zeit seit der Geburt zu messen - schließlich sind 70-Jährige heute so gesund wie 60-Jährige vor ein paar Jahrzehnten. So präsentierte Sergei Scherbov vom ÖAW-Institut für Demographie bei der Tagung die Idee, die verbleibende Lebenserwartung als Maß zu nehmen. Für Lutz ist das ein wichtiger Ansatz, weil sich dadurch das Verhalten der Menschen ändern würde. "Die Frage etwa, ob man noch eine private Pensionsversicherung abschließt, hängt davon ab, wie lange wir glauben noch zu leben", so Lutz, der dafür plädiert, "diese Idee unters Volk zu bringen".

Denn alte Klischees würden sich nur sehr langsam ändern, etwa die Einstellung zu einer Erhöhung des faktischen Pensionsantrittsalters. Angesichts der gestiegenen Lebenserwartung würde das ja keine kürzere Pensionszeit bedeuten. Es gehe vielmehr darum, die gewonnenen Jahre nicht alle als Pensionsjahre zu nutzen, sondern zum Teil auch zum Arbeiten. "Wenn man so argumentiert, ist das der Bevölkerung schon einsichtig", ist Lutz überzeugt.

Bildung reduziert gesundheitliche Beschwerden

Wobei auch hier die Bildung eine zentrale Frage ist: In Ländern, wo die Gesamtbevölkerung höher gebildet sei, gebe es auch eine höhere Akzeptanz für längerfristige politische Maßnahmen, wie etwa eine Pensionsreform, so Lutz. Bildung ziehe sich aber wie ein roter Faden durch alle Bereiche. Sie sei nicht nur für das Wirtschaftswachstum entscheidend, was man schon länger wisse, sondern auch bei der Gesundheit. In Österreich etwa würden Frauen mit Pflichtschulabschluss in fast jedem Alter doppelt so viele gesundheitliche Beschwerden angeben als Frauen mit Matura oder Hochschulabschluss.

Diese Befunde bedeuten für Lutz "Grund zu Optimismus". Denn das lasse erwarten, "dass die zukünftigen Alten besser gebildet sein werden als die heutigen Alten, und damit auch länger fit sein und freiwillig länger arbeiten werden". Denn schon jetzt zeige sich, dass die Erwerbsbeteiligung für Höhergebildete im Alter wesentlich höher sei. (APA)