Glückliche Buddhisten: Heinz Vettermann (li.) und Michael Eisenriegler (re.) von "Red Buddha".

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Flyer und Sticker der roten Buddhisten

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Buddhismus und aktuelle SPÖ-Spitze: Dr. Ding Ding, politischer Koordinator des Shaolin Tempels für Europa, Seine Heiligkeit Abt Shi Yong Xin, Bundeskanzler Werner Faymann im Vorjahr.

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Buddhismus und ehemalige SPÖ-Spitze: Ex-Bundeskanzler Alfred Gusenbauer und Lebensgefährtin Eva Steiner mit dem Dalai Lama im Jahr 2007.

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Gar nicht so einfach, oder? Das räumen auch die Meditations-Experten Michael Eisenriegler und Heinz Vettermann nach jahrelanger Erfahrung ein. Die beiden sind Vertreter von "Red Buddha", einer Arbeitsgruppe der Bildungsorganisation der Wiener SPÖ, die sich "mit dem Verhältnis von Politik und Religion aus buddhistischer und sozialdemokratischer Perspektive" beschäftigt.

Vettermann, im weltlichen Beruf Bildungssprecher der Wiener SPÖ, spricht langsam und mit sonorer Stimme über seine ersten Erfahrungen mit dem Buddhismus: "Ich wurde römisch-katholisch geboren und habe dann als Jugendlicher über Literatur den Buddhismus kennen gelernt." Seit 14 Jahren praktiziert der Politiker nun schon Zen, oft auch in katholischen Klöstern, die dieses Service anbieten.

Wahrheiten

Eisenriegler trägt sein Haar kurzgeschoren, das Wort "Hektik" dürfte er nicht kennen. Im Büro des Internet-Gurus im 2. Wiener Bezirk lachen mehrere Buddha-Statuen von einer Vitrine. Er und Vettermann kennen einander seit über 20 Jahren. "Wir sind im Laufe unseres Lebens draufgekommen, dass der Buddhismus für uns sehr viele Wahrheiten bereit hält. Dann haben wir uns überlegt, vielleicht gibt es andere, die das auch so sehen", erklärt Eisenriegler die Motivation hinter "Red Buddha".

Die Gruppe ist prinzipiell für jeden offen, auch für Nicht-Buddhisten. Rund 400 Interessierte beziehen den Newsletter. Man trifft sich alle drei Wochen, es gibt immer wieder Diskussions-Veranstaltungen zu Themen wie "Wiener Charta", "China im 21. Jahrhundert" oder "Migration". Dazu werden auch Buddhismus-Einführungskurse, Vorträge und Seminare oder der "Red Buddha Heurige" veranstaltet. Fixpunkt bei den Treffen: "Gemeinsame Meditation".

Good Vibrations

Wie wollen die roten Buddhisten auf die Sozialdemokratie einwirken? Grundsätzlich sei das Ziel nicht, auf tagespolitische Themen zu reagieren, geschweige denn Ratschläge abzugeben. Aber, wenn man im Erdgeschoß der SPÖ-Parteizentrale Löwelstraße gemeinsam meditiert und diskutiert, so sei das schon "ein interessanter Ort, weil da kannst du Good Vibrations nach oben schicken", so Vettermann augenzwinkernd. "Wir sagen der Sozialdemokratie: Es geht schon auch um Weisheit und Mitgefühl. Das heißt, es geht darum, was in mir abläuft. Wie kann man Gier, Egoismus und Hass schwächen oder überwinden. Das sind Prozesse, die wir versuchen in die Sozialdemokratie hineinzubringen." Nachzulesen seien soziale gesellschaftliche Ansätze des Buddhismus zum Beispiel in David Loys "Great Awakening" oder Melvin McLeods "Mindful Politics".

Glück

Auch Eisenriegler meint, dass sich der Verein nicht in das SPÖ-Geschäft einmischen wolle. Aber "Red Buddha" entwickle manchmal Thesenpapiere, die in die politische Diskussion eingebracht werden. So habe man bei einer parlamentarischen Enquete auf der Suche nach alternativen Modellen zum Bruttoinlandsprodukt jenes des Bruttonationalglücks vorgeschlagen. Nach dem Vorbild aus Buthan sollte eine Bruttonationalglücks-Kommission entscheiden, ob neue Gesetze die Bürger auch wirklich glücklich machen.

Ob die derzeitigen Gesetze die Österreicher glücklich machen? "Nicht nur, glaube ich. Was sicher stimmt ist, dass die Leute viel mehr an materiellen Dingen haben als früher, aber unglücklicher sind. Das widerspricht der Verheißung: Streng dich an, dann bist du glücklicher. An sich ist der Besitz also noch nichts", meint Politiker Vettermann.

Kirche vs. Staat

"Die Mitglieder der Arbeitsgruppe stehen zu den Idealen der Aufklärung und der strikten Trennung von Kirche und Staat und lehnen jede Vereinnahmung von Religion als politischem Machtinstrument ab", steht auf der Homepage.

Vettermann sieht keinen Widerspruch zwischen Religion und Politik: "Du wirst immer von Ideen inspiriert. Wenn du ein Ideengebäude hast, dann ist es ja nicht schlecht, wenn man dieses in die gesellschaftliche Diskussion mit einbringt." Eisenriegler ergänzt, dass der "katholische Ansatz" für einen Buddhisten völlig undenkbar sei, weil man nicht versuche, per Gesetzesinitiativen "Nichtgläubigen die eigenen Glaubenssätze aufzudrücken".

Kein Lächeln für Strache

Eine Spur weniger gelassen werden Eisenriegler und Vettermann, wenn man mit ihnen über FPÖ-Chef Strache spricht. Man würde sicher nicht eine Buddha-Statue an die Öffentlichkeit zerren, wie Strache es mit dem Kreuz getan hat. Außerdem sei das Klischee vom ewig lächelnden Mönch, der kein böses Wort über die Lippen bringe, ein falsch verstandenes Bild von Buddhismus. Eisenriegler: "Als Buddhist kann ich durchaus sagen, dass die Art und Weise wie die FPÖ versucht Volksgruppen gegeneinander aufzuhetzen, schädlich ist."

Kanzler-Karma

Faymanns Karma wollen die beiden Sozialdemokraten nicht schlecht reden. Den Vergleich zwischen den miesen Vertrauensumfrage-Werten des Bundeskanzlers und den tollen Werten des Dalai Lama weisen sie als "unfair" zurück. Vettermann: "Der Dalai Lama steht schließlich nicht in Regierungsverantwortung und kann deshalb auch nichts falsch machen."

Eisenriegler lässt sich nur zu einer grundsätzlichen Aussage hinreißen: "Wir können von buddhistischer Seite nur allen empfehlen, mehr in sich selber hineinzuhören und weniger auf die Umfragen zu schielen. Das würde sicher dazu beitragen, die Qualität der Politik zu verbessern. Ich glaube, dass eine Politik, in der die Leute mehr auf ihr Herz hören, eine bessere wäre." (Rainer Schüller, derStandard.at, 11. Mai 2011)