Verurteilt, aber nicht in Haft: Ein Sextäter sorgt für Aufruhr.

Foto: Michael Möseneder

Wiener Neustadt/Wien - Ein neues Gutachten soll das Gericht nun klüger machen. Jenes in Wiener Neustadt nämlich. Dort kämpft man mit der Tatsache, dass ein rechtskräftig verurteilter Kinderschänder aus gesundheitlichen Gründen auf freiem Fuß blieb - und weitere einschlägige Delikte begangen haben soll.

Im Jahr 2008 wurde der 46-Jährige zu vier Jahren Haft verurteilt. Er legte Berufung ein, im Juli 2009 wurde der Richterspruch dann rechtskräftig. Ins Gefängnis kam der Mann nicht. Er plädierte auf Strafaufschub, vulgo Haftunfähigkeit, und legte Gutachten für seine psychischen Probleme vor. Ein vom Gericht bestellter Sachverständiger kam im November 2009 zum Schluss, dass ein Gefängnisaufenthalt nicht möglich sei.

Aufgrund gemischter Angst- und Depressionszustände und einer organisch bedingten Persönlichkeitsstörung. Auch die Diagnose Klaustrophobie findet sich, die sei aber für die Entscheidung "nicht auslösend" gewesen, sagt Hans Barwitzius, Sprecher des Landesgerichtes Wiener Neustadt. "Im Oktober 2010 hat derselbe Gutachter dann eine neuerliche Prüfung durchgeführt. Das Ergebnis lag im Jänner vor. Frühestens am Jahresende sollte eine neue Entscheidung möglich sein", argumentiert er weiter.

Neuerliche Festnahme

Das Problem: Wie Kurier und Krone berichteten, wurde der Mann in der Vorwoche neuerlich festgenommen. Der Verdacht: Er soll Kinderpornos produziert haben. Derzeit ist er in Untersuchungshaft - dort ist nämlich eine krankheitsbedingte Strafverschonung nicht möglich.

"Das Gericht hat mit Dienstag einen weiteren Sachverständigen beauftragt, der die bisherige Haftunfähigkeit überprüfen soll", sagt Barwitzius. Dass man zu nachsichtig war, will er aber nicht gelten lassen. "Das Gericht muss sich auf die Einschätzung des Sachverständigen verlassen. Und wenn dieser sagt, es dauert noch, können wir wenig machen."

Warum der Mann nicht in eine Krankenanstalt gebracht wurde, um dort eine sogenannte Ersatzhaft unter Bewachung zu absolvieren? Barwitzius kann es nicht wirklich erklären. Ob der Betroffene sich anderswo zur neurologischen Abklärung seines Zustandes stationär aufnehmen ließ, wie vom Gutachter in seiner Expertise angeregt? Das könne ein Gericht nicht anordnen, bedauert er.

Im Justizministerium ist man über den Fall überhaupt nicht glücklich. Er soll intern untersucht werden, heißt es dort. (Michael Möseneder/DER STANDARD-Printausgabe, 11.5.2011)