Kandeh Yumkella hat eine Zahl, die sich nicht gut anhört für europäische Ohren. 400 Millionen junge Leute werden in Afrika in den nächsten 20 Jahren auf den Arbeitsmarkt drängen, sagt er voraus. "Wo werden die Jobs finden? Sehen Sie sich an, was jetzt in Nordafrika geschieht", sagt der Generaldirektor der UN-Organisation für industrielle Entwicklung (Unido) und meint natürlich die Flüchtlinge von Marokko bis Libyen, die unbeirrt ihr Glück in Europa versuchen. Die Jobs, so versucht Yumkella Regierungsvertretern und Unternehmern in Istanbul einzuhämmern, müssen in der Landwirtschaft entstehen.

Yumkella, der Unido-Chef aus Sierra Leone, ist einer der Kapitäne, der die UN-Konferenz für die am wenigsten entwickelten Länder der Welt (LDC) diese Woche durch diplomatische Gewässer bugsiert. Alle zehn Jahre tritt diese Konferenz zusammen, zum vierten Mal seit 1981, und berät ein Aktionsprogramm für die mittlerweile auf 48 angewachsenen ärmsten Länder der Welt. Der große Plan soll in Istanbul bis Freitag dieser Woche stehen. Die Vertreter der zivilgesellschaftlichen Organisationen sehen schon alles davonschwimmen. "Wir sind frustriert, wir sind nicht glücklich", sagt einer von ihnen am Dienstag, dem zweiten Konferenztag. Der Entwurf für die "Istanbul-Erklärung" wiederhole nur, was schon vor Jahren bei anderen großen entwicklungspolitischen Konferenzen der Uno formuliert wurde. Der neue große Wurf für die LDCs fehle.

"Schlaue Partnerschaften"

Doch es gibt zumindest Kandeh Yumkella und seine Forderung nach massiven Investitionen im Agro-Business und beim Aufbau einer verarbeitenden Industrie. "Das ist keine Wohltätigkeitsveranstaltung" , sagt der Unido-Direktor. "Schlaue Partnerschaften zwischen Regierungen und Privatwirtschaft" empfiehlt er und die weitgehende Übernahme von Risiken durch internationale Finanzorganisationen, damit auch Unternehmer aus den Industrieländern Anreize finden, ihr Geld in die afrikanische Landwirtschaft zu stecken.

Auch den umstrittenen Aufkauf von Agrarland durch ausländische Regierungen - vor allem China - findet Yumkella "eine ziemlich gute Idee", sofern Landeigentümer nicht über den Tisch gezogen und Umweltauflagen eingehalten werden. "Landwirtschaft in Afrika ist kein Hobby oder nur etwas zum Überleben." 33 der LDCs sind in Afrika. Ihre Bevölkerung wächst am schnellsten und wird sich bis 2050 auf 1,7 Milliarden Menschen verdoppeln. (Markus Bernath aus Istanbul/DER STANDARD, Printausgabe, 11.5.2011)