Drehtüren interessieren Christian Mantl (li.) und Martin Car weniger als Straßen und Co.

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STANDARD: Wie können Straßen, Brücken, Kreuzungen und Co nachhaltiger geplant, gebaut und betrieben werden?

Mantl: Wir setzen beim Regelwerk des Straßenwesens an, den RVS. Diese "Richtlinien und Vorschriften für das Straßenwesen" befassen sich mit Planung, Bau und Betrieb von Verkehrsinfrastruktur. Darin steht zum Beispiel, wie die Linienführung bei einer Autobahn oder Schnellstraße gestaltet sein muss – Kurvenradien, etc.. Wir haben diese Richtlinien dahingehend überprüft, wie man sie, im Sinne der Nachhaltigkeit, verbessern kann.

Car: RVS werden regelmäßig fortgeschrieben und dem Stand der Technik angepasst. Sie sind bindend für alle Bundesstraßen.

STANDARD: Diese Richtlinien gibt es seit den 1950er-Jahren. Wie oft werden sie evaluiert?

Car: Das Regelwerk ist historisch gewachsen. Früher hat man weniger strukturiert geplant – wenn man etwas gebraucht hat, wurde dazu eine Richtlinie erarbeitet. Jetzt geht man mit mehr Planung an die Sache heran. Das Regelwerk an sich ist bereits recht vollständig, daher musste man bis auf ein paar Neuerungen, wie etwa Telematik, wenig ergänzen. Man versucht nun strategisch vorzugehen, um zu klären, welche Richtlinien bei der Überarbeitung vorzuziehen sind und nach welchen Kriterien. Dabei werden nicht nur technische Notwendigkeiten für die Beurteilung herangezogen, sondern auch ökologische, soziale und ökonomische. Deshalb ist das Spektrum der Experten, die in den FSV-Arbeitsausschüssen mitwirken, auch sehr weit gefasst.

Mantl: Es kommt vor, dass in einer RVS Themen geregelt sind, die in einer anderen oder einer europäischen Regelung schon enthalten sind, nur ein bisschen anders formuliert. Das wäre so ein typischer Mangel, nach dem wir gesucht haben und der nicht passieren sollte. Das wurde in der Überarbeitung berücksichtigt. Andererseits kann man immer nur den Stand der Technik festschreiben, der gerade existiert.

STANDARD: Wurden Elektromobilität und die entsprechende Infrastruktur bereits berücksichtigt?

Car: Das Elektroauto war noch kein großes Thema in den Ausschüssen. Aber es ist auch Ziel von Forschungsvorhaben, solche Entwicklungen zu erkennen. Wir sprechen hier von Infrastruktur, die Jahrzehnte in Betrieb ist. Das heißt, die Entscheidungen, die heute getroffen werden, müssen auch in mehreren Jahren noch halten. Die Nachhaltigkeit hat hier eine ganz andere Dimension als bei Verbrauchsgütern.

Mantl: Elektromobilität wird im Zusammenhang mit Verkehrssicherheit berücksichtigt, weil sie ein Problem darstellen kann; man nimmt diese Autos akustisch kaum wahr. Was die Infrastruktur betrifft, werden derzeit noch keine Maßnahmen getroffen.

STANDARD: Wie sehr spielen Trends eine Rolle?

Car: Wir sehen, dass der Radverkehr in der Stadt zunimmt. Daraus ergibt sich für uns als Forschungsgesellschaft die Herausforderung, Regelungen herauszugeben, die definieren, wie beispielsweise ein Fahrradstreifen markiert werden soll. Wie kann man diese Infrastruktur friktionsfrei für alle Verkehrsteilnehmer gestalten? Letztendlich müssen wir immer auf ökonomische, ökologische und soziale Komponenten Rücksicht nehmen – eine Tatsache, die sich in dem neudefinierten Kriterienkatalog widerspiegelt.

STANDARD: Also ist es vergleichbar mit einer Checkliste?

Car: Wir haben eine Art Nachhaltigkeitsmaß für alle RVS errechnet. So können wir verfolgen, ob wir in allen Dimensionen der Nachhaltigkeit besser geworden sind. Wir sehen sofort, ob die Neubearbeitung der RVS einen höheren Standard erreicht hat. Damit haben wir auch ein objektives Werkzeug zur Beurteilung der Nachhaltigkeit an der Hand.

Mantl: Es ist eine Checkliste, die dabei behilflich sein kann, Nachhaltigkeit gleich bei der Erstellung neuer RVS zu berücksichtigen.

Car: Umwelt, Entsorgung, Lebenszykluskosten etc. sind zum Beispiel im Zusammenhang mit Verkehrsinfrastruktur ein relativ junges Themengebiet. Stehen diese von vornherein auf der Kriterienliste, wird darauf in Zukunft stärker Rücksicht genommen werden. (DER STANDARD, Printausgabe, 11.05.2011)

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Wissen: Spielregeln für die Straße

Die Richtlinien und Vorschriften für das Straßenwesen (RVS) werden von Fachausschüssen inhaltlich betreut und erstellt. Die darin getroffenen Festlegungen stellen den Stand der Technik dar und können von den Beteiligten in den Planungs- und Ausführungsphasen, z. B. beim Tunnelbau, herangezogen werden. Als "Spielregeln" sollen sie ein einheitliches Qualitäts- und Sicherheitsniveau bei Ausführung und Betrieb von Straßeninfrastruktur gewährleisten. Die Forschungsgesellschaft Straße, Schiene, Verkehr (FSV) hat im Rahmen eines Forschungsprojekts die Richtlinien hinsichtlich Wirtschaftlichkeit, Verkehrssicherheit und Nachhaltigkeit evaluiert. (max)