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Auch in Österreich wurden im Jahr 2010 für Europa erstmals neue Substanzen entdeckt.

Foto: AP/Mark Lennihan

Lissabon/Wien - Der europäische Drogenmarkt wandelt sich: Er wird überschwemmt durch "Legal Highs", das sind Designerwirkstoffe, bei denen die Gesetzgebung bzw. Verordnungen zumeist hinterher laufen. Oft handelt es sich dabei um künstlich hergestellte Cannabinoid-Abwandlungen (THC-Derivate), wie sie in Kräutermischungen wie "Spice" identifiziert wurden. Die meisten Substanzen sind so neu, dass Gesetzgeber und Ermittler sie nicht kennen.

Auch chemische Substanzen, welche den Inhaltsstoffen von Khat ähneln, tauchen vermehrt auf. Im Jahr 2010 wurden in Europa insgesamt 41 neuer psychoaktiver Substanzen für den Missbrauchsmarkt entdeckt - zwei davon erstmals in Österreich. Dies stellt die Europäische Drogenbeobachtungsstelle (EBDD/Lissabon) in einem neuen Report fest, der gemeinsam mit Europol verfasst wurde.

Zunahme an psychoaktiven Substanzen

"Neue psychoaktive Substanzen werden immer mehr und in einem 'bisher nicht bekannten Ausmaß' erhältlich. Im Jahr 2010 wurden 41 neue psychoaktive Substanzen erstmals durch die beiden Agenturen (EBDD und Europol, Anm.) offiziell registriert. Das ist die größte Anzahl von (neuen, Anm.) Substanzen in einem Jahr und deutlich mehr als im Jahr 2009 (24) bzw. 2008 (13)", teilte die Drogenbeobachtungsstelle mit. Derzeit läuft in Lissabon auch ein Forum zu dem Thema der neuen Stoffe, welche für den Missbrauch geschaffen, erzeugt und vertrieben werden.

Bei den Stoffen handelt es sich um eine sehr diverse Gruppe an Substanzen: synthetische Cannabinoide, synthetische Cathinone (ähnlich den Alkaloiden aus der Naturdroge Khat) und synthetische Abwandlungen von aus der Medizin bekannten psychoaktiven Stoffen. EBDD-Direktor Wolfgang Götz: "Wenn man die Geschwindigkeit ansieht, mit der diese Entwicklungen geschehen, muss man einfach die Herausforderungen für die Zukunft im Auge haben. Während unser Frühwarnsystem deutlich an Kapazitäten zugelegt hat, um auf neu auftauchende Substanzen und Produkte zu reagieren, geht uns derzeit noch die Möglichkeit für Vorhersagen ab."

"Legal Highs" bei Veranstaltungen und via Internet

Das Problem: Die Stoffe werden überwiegend via Internet oder bei Großveranstaltungen als "Legal Highs" unter die Drogenkonsumenten gebracht. Gesetze und Verordnungen müssen da hinterher hinken. Illegalität allein ist kein Mittel gegen den Konsum bedenklicher Substanzen. Viel eher geht es hier darum, entweder durch Käufe auf dem Drogenmarkt oder durch Aktionen wie "Checkit" (Angebot zum Test bei Veranstaltungen/Wien) die "Szene" zu beobachten und bei echtem "Gift" sofort zu warnen.

Dabei sind die potenziell negativen Auswirkungen der neuen Substanzen ebenfalls nur zum Teil bekannt. Virulent wurde die Angelegenheit Ende 2008/Anfang 2009 mit dem "Spice"-Phänomen: Kräutermischungen mit synthetischen Cannabinoiden. Der Report der EBDD und von Europol: "Als Antwort auf die möglichen Gesundheitsgefahren haben zumindest 16 europäische Staaten gesetzgeberische Aktionen zum Verbieten oder zur Kontrolle von 'Spice'-Produkten oder verwandten Substanzen gesetzt." Als erstes in Europa reagierte laut dem Bericht damals Österreich, das "Spice" bereits im Jänner 2009 verbot.

Zwei neue Substanzen in Österreich entdeckt

Auch in Österreich wurden im Jahr 2010 für Europa erstmals neue Substanzen entdeckt. Von den 41 entfielen 16 auf Großbritannien, je vier auf Norwegen, Irland und Finnland, je drei auf Lettland und Deutschland, je zwei auf Ungarn, Österreich und Schweden sowie eine auf Bulgarien.

So wurde laut dem Bericht am 27. Juli in Österreich erstmals in Europa JWH-015 entdeckt. Es handelt sich dabei um ein synthetisches Cannabinoid. Mit 17. September 2010 ist Beta-Ethyl-Methcathinone im Annex des Berichts vermerkt. Diese Khat-ähnliche Substanz kann Schlaflosigkeit, Psychosen etc. auslösen.

Rob Wainwright, Direktor der Europol: "Das Auftreten von 'Legal Highs' ist eines der wesentlichen Kennzeichen des aktuellen europäischen Drogenproblems. Diese Herausforderung wurde vor kurzem auch im jährlichen Bericht von Europol zur Bewertung der Bedrohungslage im Bereich der Organisierten Kriminalität in Europa 2011 hervorgehoben. Wir haben auch festgestellt, dass organisierte Kriminelle immer häufiger Ecstasy und verwandte Drogen herstellen und verbreiten. Europol ist entschlossen, dieses Problem zusammen mit seinen europäischen Partnern aus dem Bereich der Strafverfolgung zu bekämpfen. "

Risikobewusstsein schaffen

"Es geht ganz allgemein darum, dass es gelingen muss, zunächst bei den jungen Leuten ein Risikobewusstsein zu schaffen", sagte die österreichische Drogenkoordinatorin (Gesundheitsministerium), Johanna Schopper, aus Anlass der Reoport-Veröffentlichung. Die österreichische Strategie stützt sich bei den zumeist synthetisch und für den Missbrauchsmarkt bestimmten Substanzen laut der Expertin auf mehrere Säulen: Monitoring, Prävention und gewisse legistische Maßnahmen. Sie warnt besonders vor einem gefährlichen Mischkonsum von Substanzen.

Oft gelten die Substanzen im Grunde fälschlicherweise als "harmlos". So sei ein in jüngerer Vergangenheit häufig verwendeter Stoff (Mephedron) gar als "Badesalz" oder "Dünger" aufgetaucht - was bei den Konsumenten scheinbar Harmlosigkeit signalisierte. Gegen Mephedron wurde in Europa auch legistisch vorgegangen. "Doch das ist immer eine Art "Katz-und-Maus-Spiel",  so Sonja Grabenhofer von der Wiener Initiative "CheckIt". Verbote würden vor allem dazu führen, dass binnen kürzester Zeit neue Derivate erzeugt würden und auf den Markt kämen, von denen man überhaupt keine genauen Informationen über deren Eigenschaften habe. (APA)