Rechtsextremismus mit Empörung zu begegnen und diese Empörung lautstark auszudrücken, mag sich zwar gut anfühlen und mag persönlich befriedigend sein, doch sind Fremdenfeindlichkeit, Islamfeindlichkeit und die Spaltung der Gesellschaft damit nicht aufzuhalten. Im Gegenteil, reflexartig vorgetragene Empörung verschafft den Schamlosen vom rechten Rand und ihren zerstörerischen Ideen Aufmerksamkeit und Macht über den Inhalt öffentlichen Sprechens.

Das Erfolgsrezept der rechten Strategen

Die FPÖ spricht drei Zielgruppen an:

  1. Die kleine Gruppe jener Menschen, die diskreditierten rechtsradikalen Ideen aus der Vergangenheit mehr oder weniger ausgeprägt anhängen. Sie bilden das personelle und ideologische Fundament der Partei.
  2. Die große Gruppe jener Menschen, die vom wirtschaftlichen und gesellschaftlichen Wandel unserer Zeit überfordert sind und zurückbleiben oder fürchten, zurückzubleiben. Sie fühlen einen Mangel an Achtung und Wertschätzung. All das macht sie empfänglich für die von der Partei vermittelten Feindbilder. Sie sind das Wählerreservoir.
  3. Die kleine Gruppe jener Menschen mit ausgeprägtem Sensorium für rassistische, xenophobe, islamophobe, nazistische Bekundungen, die bei geringster Provokation lautstark in helle Empörung ausbrechen. Sie bilden das Sprungbrett der Partei in die öffentliche Wahrnehmung.

Und so funktioniert die Strategie:

  1. Die FPÖ lässt einen provokanten Spruch los.
  2. Die Sensiblen tun ihre Empörung unverzüglich und lautstark kund.
  3. Die Medien berichten mit Gusto und trompeten die FPÖ-Botschaft übers ganze Land.
  4. Die weniger Sensiblen, die Masse potentieller FPÖ-Wähler und -Wählerinnen, lässt die ganze Aufregung kalt, doch nehmen sie die Botschaft auf.
  5. Strache spielt den Unschuldigen und beschwert sich: "Schaut her. Zu mir sind sie gerade so respektlos wie zu euch. Ich bin einer von euch. Ich verstehe euch."
  6. Die Kernschicht der FPÖ beobachtet das Spektakel vom rechten Rand und lacht sich eins, denn sie erkennt selbstverständlich ebenso gut wie die Sensiblen, was hinter dem Spruch steckt.

Aufmerksamkeit ist gewonnen. Der rechte Rand ist bedient. Strache ist mit den gedrückten Massen solidarisiert. Die Basis rasch wachsender Gunst im Wahlvolk ist geschaffen.

Das Missverständnis der Trittbrettfahrer

Eine lange Reihe von Innenministern und -ministerinnen aus SPÖ und ÖVP dachten, wenn sie die von der FPÖ verbreiteten Feindbilder übernehmen und Ausländern, Fremden, Zugewanderten das Leben schwer machen, dann würden sie keine weiteren Wähler und Wählerinnen an die FPÖ verlieren. Nun, mittlerweile ist unzweifelhaft sicher, dass diese simple Strategie nicht aufgeht.

Doch in ihrer grenzenlosen Ratlosigkeit verschärfen diese beiden Parteien trotzdem Jahr für Jahr das Fremdenrecht und schrumpfen, schrumpfen immer weiter. Das ist wahrlich dumm.

Was wäre zu tun?

Hilfreich wäre es, wenn den Sensiblen gelänge, ihre heftigen Impulse der Empörung zu kontrollieren, Provokationen zu ignorieren und rechtem Unfug mit positiven Bildern entgegenzutreten.

Notwendig wäre es, dass die am Gemeinwohl interessierten politischen Kräfte die Lebenssituation jener Menschen verstehen lernen, die fürchten aus der Mitte der Gesellschaft zu kippen. Politisch gestalten heißt in diesem Fall, für festen Boden unter den Füßen der verunsicherten Menschen zu sorgen und so die Gesellschaft zu einen. (Andreas Sierek, derStandard.at, 11.5.2011)