Wien - Diesen Sonntag startet die Fernsehsendung "Wien heute - Haber Magazin". Wer sich fragt, was das bedeuten soll, versteht wohl kein Türkisch und gehört somit auch nicht zur Hauptzielgruppe des neuen Formats. Denn das wurde eigens für Österreichs türkische Community produziert: "Haber Magazin" bedeutet übersetzt "Nachrichtenmagazin" und bringt ausgewählte Beiträge der "Wien heute"-Woche mit türkischer Anmoderation und Untertiteln.

Ausgestrahlt wird die vom ORF Wien wöchentlich produzierte Sendung freitags, um 22 Uhr, und sonntags um 11 Uhr auf dem nichtkommerziellen Privatfernsehsender Okto TV, der schon bisher auf ein stark interkulturelles Angebot ausgerichtet war. Gemeinsam will man sich so der drittgrößten Migrantengruppe Österreichs annähern.

Dass das notwendig ist, hat man beim ORF im Zuge einer Untersuchung feststellen müssen, bei der herausgefunden wurde, dass das öffentlich-rechtliche TV-Angebot von Migranten in nur sehr bescheidenem Maß genutzt wird. "Wenn sie nicht zu uns kommen, dann kommen wir eben zu ihnen", beschreibt Brigitte Wolf, Landesstudio-Direktorin von ORF Wien, die Idee. Gezeigt werden für die türkische Community relevante Beiträge aus Politik, Wirtschaft, Kultur und Stadtleben - mit dem Ziel, dass sich die Angesprochenen integriert fühlen. "Integration hat auch sehr viel mit Teilhabe zu tun, damit, dass Menschen die Stadt, in der sie leben, auch als die ihre empfinden", sagt Wolf.

Das Haber Magazin ist auf Menschen mit geringen Deutschkenntnissen ausgerichtet: Die Beiträge werden in deutscher Sprache gesendet und sind mit türkischen Untertiteln hinterlegt. "Damit unterstützt man das Deutsch-Verstehen", erklärt die ORF-Wien-Direktorin ihr Konzept.

Türken sehen viel fern

Gerade bei der Sprache bestehen die größten Defizite - und gleichzeitig die größten Chancen. Laut einem Bericht des Integrationsfonds beherrschen zehn Prozent aller türkischen Migranten ihren eigenen Angaben nach die deutsche Sprache schlecht, bei den Hausfrauen ist es sogar jede Zweite. Und noch eine Besonderheit der türkischen Community wird den Sendungsmachern wohl zu denken gegeben haben: Zwei Drittel der türkischstämmigen Österreicher sehen jeden Tag fern, hauptsächlich türkischsprachiges Fernsehen. Österreichisches TV schauen nur dreißig Prozent.

Ob sich das durch die neue Sendung ändert, wird sich zeigen - beim ORF Wien erhofft man sich jedenfalls schon, dass sich die immerhin mehr als 100.000 Wiener mit türkischen Wurzeln irgendwann dem deutschsprachigen Angebot zuwenden: "Ziel ist, dass sie Wien heute auf Deutsch anschauen", erklärt Brigitte Wolf. Für ihre Initiative sei kein Extra-Budget vorgesehen, "die Beiträge kommen von uns, mit der Übersetzung ist die Minderheitenredaktion betraut." Die Landesdirektorin erwähnt dies nicht ohne Grund - immerhin hat FP-Wien-Klubobmann Johann Gudenus dem ORF bereits vorgeworfen, er rolle "Integrationsunwilligen den roten Teppich aus" und finanziere dies via "Zwangsgebühren".

Ganz anders sieht das naturgemäß Integrationsexperte Kenan Güngör. Er begrüßt die Sendung als "Schritt in die richtige Richtung" - wenn er auch der Signalwirkung anfangs die größte Bedeutung zumisst: "Das ist eine Wertschätzung der türkischen Sprache und wichtig für die Selbstachtung." Und die erleichtere wiederum die Integration. (Jutta Kalian/DER STANDARD; Printausgabe, 12.5.2011)