Über einen Kunststoffschlauch werden 2-3 Liter Dialyseflüssigkeit (Dialysat) in den Bauchraum gefüllt.

Foto: Medizinische Universität Innsbruck/Gert Mayer

„In Österreich entscheiden sich die meisten chronischen Nierenpatienten für die Hämodialyse", bestätigt Gert Mayer, Direktor der Universitätsklinik für Innere Medizin IV (Nephrologie und Hypertensiologie) an der Medizinischen Universität in Innsbruck, eine Tatsache, die zuletzt beim Weltkongress der Nephrologen in Vancouver präsentiert wurde. In Österreich wird die Hämodialyse (Blutwäsche, Anm. Red.) vorwiegend an Dialysezentren vorgenommen. Die Bauchfellanalyse, als Alternative für zu Hause, wird dagegen wenig genützt. 

Gesunde Nieren haben viel zu tun: Sie befreien täglich 1700 Liter Blut von schädlichen Stoffwechselprodukten und scheiden diese gemeinsam mit überschüssiger Flüssigkeit über den Urin aus. Darüber hinaus bilden die Nieren Hormone, beteiligen sich am Knochenstoffwechsel, an der Blutdruckregulation und bei der Bildung roter Blutkörperchen.

Daheim oder im Dialysezentrum?

Das langsame Versagen der Nieren bezeichnen Mediziner als chronische Niereninsuffizienz. In Österreich leiden rund 400.000 Menschen unter dieser Erkrankung. Die meisten wissen nichts davon, denn die innerliche Vergiftung verursacht über lange Zeit keine Symptome. Tauchen Müdigkeit Leistungsminderung, Juckreiz oder Knochenschmerzen auf, dann sind oft schon mehr als 50 Prozent der Nierenfunktion abhanden gekommen. 

Dialyse lautet dann im Endstadium die unumgängliche Konsequenz und die Betroffenen stehen - wenn eine rasche Transplantation nicht möglich ist - alsbald vor einer schweren Entscheidung: Heimdialyse oder Nierenersatztherapie in einem nahegelegenen Zentrum? „Nicht jeder Mensch ist medizinisch für die Peritonealdialyse geeignet oder besitzt den Mut medizinische Handlungen an sich selbst vorzunehmen", weiß der Innsbrucker Nephrologe Gert Mayer aus Erfahrung und ortet die Scheu vor der Heimdialyse vornehmlich im fortgeschrittenen Alter und in Begleiterkrankungen vieler Patienten.

Verbesserte Infrastruktur

40 Prozent aller dialysepflichtigen Menschen sind Typ-II-Diabetiker oder Hypertoniker. Die chronische Niereninsuffizienz gilt als klassische Langzeitfolge dieser Volkskrankheiten und ist auch der Grund warum Dialysepatienten in vielen Fällen nicht mehr ganz jugendlich sind. Die Durchführung der Dialyse erfordert eine gewisse Fertigkeit und ein technisches Verständnis. Beides erzeugt mit steigendem Alter auch steigende Widerstände und ist laut Mayer mitverantwortlich dafür, dass sich in Österreich nur 9 Prozent aller Nierenpatienten für die Peritonealdialyse entscheiden. Allerdings stellen auch in skandinavischen Ländern Zuckerkranke und Menschen mit erhöhtem Blutdruck das Hauptklientel der Dialysepatienten dar. Trotzdem liegt der Anteil derer, die sich dort für die Heimdialyse entscheiden, bei immerhin 20 Prozent. 

„Es gibt in vielen Fällen keine Entscheidungsmöglichkeit der Patienten in Österreich, da Betroffene - durch Uninformiertheit - keine Wahlmöglichkeit geboten bekommen", betonte Klaus Schuster, der in seiner Funktion als Nephrologe für die Dialyseplanung in den Landeskliniken Niederösterreich zuständig ist, im April in Vancouver. Schuster sieht hier Aufholbedarf. Mayer fordert vordringlich eine verbesserte Infrastruktur, die den Patienten den Schritt in die Heimdialyse erleichtert.

Unabhängigkeit bringt Lebensqualität

Dialysepfleger, ein Beruf mit Zukunft und laut Mayer der „beste Hebel um Barrieren niederzureißen". In einigen Bundesländern werden bereits Unterstützungsprogramme angeboten. Ausgebildete Pflegepersonen besuchen beispielsweise in Niederösterreich und Vorarlberg chronisch nierenkranke Patienten zu Hause und bieten ihre Hilfe bei der Handhabung der Peritonealdialyse an. 

Das Gesundheitssystem erspart sich dabei erhebliche Kosten, geeigneten Patienten bringt die Heimdialyse Unabhängigkeit vom Dialysezentrum, Flexibilität und in der Folge mehr Lebensqualität. „Zeitersparnis ist es keine", setzt Mayer die beiden Verfahren jedoch in Relation. Während Patienten für die Hämodialyse dreimal wöchentlich 4 Stunden im Spital zubringen, muss die Peritonealdialyse sieben Tage pro Woche viermal täglich durchgeführt werden.

Schlauch im Bauch

Bei der Hämodialyse wird das Blut außerhalb des Körpers „gewaschen". Im Fall der Peritonealdialyse findet die Entgiftung im Bauchraum statt. Der Patient bekommt im Vorfeld einen dünnen Kunststoffschlauch implantiert, über den 2-3 Liter Dialyseflüssigkeit (Dialysat) in den Bauch eingefüllt werden. Das Peritoneum, eine 1-2 Quadratmeter große dünne glänzende Haut, umgibt die Bauchhöhle. Es dient als Dialysemembran. Gemeinsam mit der Dialyseflüssigkeit entzieht das Bauchfell dem Organismus Giftstoffe und überschüssige Flüssigkeit. 

Ist in Österreich von Heimdialyse die Rede, dann geht es im Wesentlichen um die Peritonealdialyse. Nicht so in Ländern wie Kanada, Neuseeland, Australien oder Finnland. „Dort kommt der Heimhämodialyse eine wichtige Bedeutung zu, da die Distanzen zu Nierenzentren einfach zu groß sind", weiß der Innsbrucker Experte und hofft, dass sich mittelfristig auch hierzulande die Heimdialyse, sei es in Form der Peritoneal- oder Hämodialyse besser etabliert.

Fortschreitender Verlauf

Bieten sich jedoch beide Möglichkeiten für daheim an, dann wird die Entscheidung für die Betroffenen dadurch nicht leichter. Denn rein qualitativ betrachtet, ist keine Methode der anderen überlegen. Die Nierenerkrankung schreitet in jedem Fall unaufhaltsam voran. Die Hämodialyse beschleunigt diesen Verlauf, die Nierenrestfunktion geht bei dieser Methode schneller verloren. Diesem Vorteil der Peritonealdialyse stehen allerdings auch Nachteile gegenüber: Die Patienten tragen permanent einen Kunststofffschlauch im Bauchraum mit sich herum, was das Freizeitvergnügen Schwimmen grundsätzlich verbietet. Außerdem besteht immer auch das Restrisiko einer Bauchfellentzündung. 

„Die Entscheidung für die eine oder andere Methode, daheim oder im Zentrum, ist abgesehen von medizinischen Gründen vor allem abhängig davon, wie wohl sich der Patient damit fühlt. Um die Entscheidung zu erleichtern, muss aber eine umfassende Aufklärung über alle Möglichkeiten erfolgen", ergänzt Mayer abschließend und empfiehlt seinen Patienten nur dann guten Gewissens die Heimperitonealdialyse, wenn neben der funktionierenden häuslichen Betreuung, ein hohes Maß an Eigenverantwortlichkeit vorhanden ist. (derStandard.at, 12.05.2011)