Der so überraschende wie überfällige Schulterschluss von Fatah und Hamas in der vergangenen Woche hat die internationale Gemeinschaft jäh aus dem Halbschlaf gerissen, aus dem sie die Ereignisse in Nahost betrachtet hatte. Fast apathisch hatte man in Europas Hauptstädten das Ende der September-Deadline des 2-Jahres-Plans von Premierminister Salam Fayyad erwartet, scheinbar ohne Alternativen zu einem müden "Weiter so!" zu entwickeln.

Nun ist der Nahost-Friedensprozess zurück auf die internationale Agenda gerückt und Europa und die USA suchen nach Antworten auf die Frage, wie mit einer Einheitsregierung von Hamas und Fatah umzugehen ist und wie mit dem Antrag der Palästinenser auf Aufnahme in die Vereinten Nationen im September.

Hoffnungsvolles Zögern

An endgültigen Antworten fehlt es derzeit noch - zum Glück der Palästinenser möchte man meinen, denn das Zögern der internationalen Gemeinschaft bedeutet, dass ein Abweichen von den bisherigen Denkmustern möglich ist.

Die internationale Anerkennung der Einheitsregierung scheint nicht unwahrscheinlich. Nicht nur haben Europäer und Amerikaner in den letzten vier Jahren erkennen müssen, dass ihre Politik der Isolation gegenüber der Hamas gescheitert ist. Sie sind sich auch darüber im Klaren, dass sich die nahöstliche Mächtekonstellation im Arabischen Frühling verändert hat. Nicht zuletzt die Vermittlung der innerpalästinensischen Versöhnung lässt erahnen, dass Ägypten nach einer Erneuerung seiner regionalen Vormachtstellung strebt. Zwar wählen die Ägypter erst im Herbst eine neue Regierung, doch schon jetzt ist klar, dass Mubaraks Erben sich sehr viel israelkritischer als ihr Vorgänger positionieren werden. Und auch die ägyptische Muslimbruderschaft wird bei der Neuformulierung ägyptischer Außenpolitik, Regierungsbeteiligung hin oder her, eine zentrale Rolle spielen und damit die Weichen für den Umgang mit ihrer palästinensischen Bruderpartei, der Hamas, neu stellen.

Während die palästinensische Einheitsregierung noch auf ihre Anerkennung durch die USA und Europa hoffen darf, scheint die Frage nach der Aufnahme des Staates Palästina durch die Vereinten Nationen im kommenden September angesichts eines sicheren US-Vetos schon beantwortet. Von Interesse wird dagegen sein, wie viele Staaten der Einschätzung des französischen Präsidenten Nicolas Sarkozy folgen werden, in der zentralen Frage der Anerkennung des palästinensischen Staates Verantwortung übernehmen zu müssen, wenn der Friedensprozess im September immer noch an einem toten Punkt ist.

Zeugnis von Israels Isolierung

Damit malt Sarkozy genau das Szenario an die Wand, das es aus Sicht des israelischen Premierministers Benjamin Netanjahu mit Vehemenz zu verhindern gilt. Vielleicht muss Netanjahu die Anerkennung eines palästinensischen Staates im September durch die großen Mächtigen des Sicherheitsrates nicht unmittelbar fürchten. Aber gleichzeitig wird eine überwältigende Mehrheit der Generalversammlung Zeugnis von der weiteren internationalen Isolierung Israels abgeben, die in Zeiten des Umbruchs in Nahost und des möglichen Wegfalls jahrzehntealter Allianzen für Israel großes Gewicht hat.

Netanjahu wird in den nächsten Monaten alles daran setzen, seine Verbündeten in Europa auf Kurs zu bringen. Dies dürfte ihm umso schwerer fallen, je länger Israel sich weigert, die Bedingungen für ernsthafte Friedensverhandlungen zu schaffen.

Statt die Monate bis September mit dem Stimmenfang gegen die Anerkennung des palästinensischen Staates zu vergeuden, wäre Netanjahu gut beraten, die Einheitsregierung von Fatah und Hamas als Chance zu begreifen und die verbleibende Zeit bis September dafür zu nutzen, ehrliche Friedensverhandlungen mit Präsident Abbas auf den Weg zu bringen. Den neuen Entwicklungen in der Region mit einer reflexartigen Blockadepolitik zu begegnen, scheint langfristig wenig Erfolg versprechend. (derStandard.at 12.5.2011)