Magistra Moser (li.) lebt in ihrer Parallelgesellschaft im 7. Bezirk. Sie hasst Staub und Unordnung. Sie stellt die Putzfrau Branka an, worauf ihr Leben eine dramatische Wende nimmt.

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Wird der böse Captain Clean, der immer häufiger aus TV-Werbung und Putzmittelflasche in Magistra Mosers Wahnfantasien dringt, wieder für Ordnung in ihrem Leben sorgen?

Foto: Markus Liszt

Regisseurin Asli Kislal und Autor Richard Schuberth

Foto: Meri Disoski

Rechtzeitig vor der Premiere von "Wie Branka sich nach oben putzte" hat sich daStandard.at mit der Regisseurin Asli Kişlal und dem Autor Richard Schuberth über falsche Formen von political correctness, den Gutmenschen-Diskurs und verschiedenfarbige Putzmittel unterhalten.

daStandard.at: "Wie Branka sich nach oben putzte" ist die erste Kooperation zwischen daskunst und Ihnen, Herr Schuberth. Wie kam es dazu?

Asli Kişlal: Das ist eine nette Geschichte. Zum Geburtstag hat mir eine Bekannte Büchergutscheine geschenkt. In der Buchhandlung bin ich auf "Captain Flint" gestoßen, das ich genial fand. Beim nächsten Treffen mit meiner Bekannten erzählte ich mit Begeisterung von dem Buch. Sie lachte amüsiert und meinte: "Der Autor ist mein Mann".

daStandard.at: Und dieser Autor Sind natürlich Sie.

Richard Schuberth: Genau. Meine Frau stellte den ersten Kontakt her. In Folge habe ich einige Produktionen von daskunst gesehen. Ich gehe ja immer mit der Erwartung enttäuscht zu werden ins Theater. daskunst enttäuschte diese Erwartung. Ich fand die Truppe verdammt cool. Dann haben wir uns ein bisschen beschnuppert ...

Kișlal: ... und fanden uns sympathisch. Schnell entstand die Idee der Zusammenarbeit. Eine romantische Geschichte, oder?

daStandard.at: Weit romantischer als das Stück. Handelt es, wie der Titel vielleicht suggeriert, tatsächlich von einem Aufstieg?

Schuberth: Denkt man an die "Vom Tellerwäscher zum Millionär"-Geschichten fällt auf, dass tatsächlich aus Tellerwäschern Millionäre geworden sind, aber nie durch's Tellerwaschen. Die Wahrscheinlichkeit, dass Branka durch's Putzen sozial aufsteigt, ist relativ gering. Was ausgedrückt wird, ist der harte Kampf der unteren Schichten.

daStandard.at: Die beiden Hauptfiguren stammen aus unterschiedlichen Schichten. Mag.a Isabella Moser ist Geistes- und Kulturwissenschaftlerin und PR-Frau. Die aus Serbien kommende Branka Radulović ist ihre Putzfrau. Ein ungleiches Paar ...

Kișlal: Ja, trotzdem haben sie etwas gemein.

daStandard.at: Nämlich?

Kișlal: Wir alle stecken Menschen in Schubladen. In den letzten Jahren ist das Bild des „Gutmenschen" samt dazugehöriger Lade aufgetaucht. Als Gutmenschen belächelt werden die Grünen oder Studenten und Demonstranten, die gegen Abschiebungen protestieren. Auf der anderen Seite gibt es das Klischee vom lieben Ausländer als Gutmenschen. Branka und Mag.a Moser stecken in dieser Gutmenschen-Lade: Die arme, schützenswerte Ausländerin, und die politisch korrekte Akademikerin. Das Aufbrechen dieser Klischees hat uns besonders interessiert.

Schuberth: Nehmen wir Branka her: Sie ist weder gut noch böse. Ihre Figur zeigt, dass Migranten nicht von Vornherein gut sein müssen, nur weil wir den Impuls haben, sie vor den bösen Rassisten zu schützen. Migranten sind auch nur Menschen, die zu unfeinen Mitteln greifen können, wenn sie marginalisiert werden.

Kișlal: Dasselbe gilt für Mag.a Moser, auch sie ist nur ein Mensch, ohne das zusätzliche Adjektiv "gut". Ein Mensch im Kampf mit sich selbst.

daStandard.at: Wogegen kämpft sie?

Kișlal: Gegen ihre Erziehung und Bildung. Sie hat zwar viel über Konzepte wie Fremdheit und Differenz gelesen und sich damit beschäftigt. In der Realität fehlt ihr aber die Offenheit, die bleibt auf einer intellektuellen Ebene.

daStandard.at: Stichwort intellektuell: Das Stück ist auch eine Satire auf derzeit in den Geistes- und Kulturwissenschaften gängige Konzepte.

Schuberth: Ich beschäftige mich schon seit langem mit Konzepten wie das Fremde, das Eigene, das Hybride etc. Mich interessiert vor allem die Frage: Was passiert, wenn Rassismus nicht überwunden, sondern einfach nur ins Positive gewendet und mit den bunten Farben der Vielfalt ausgepinselt wird?

daStandard.at: Eine Kritik an political correctness?

Schuberth: Ja! Es steht außer Frage, dass Rassisten Migranten zu Objekten ihrer Diskriminierung machen. Fraglich ist aber, ob wir Migranten zu Subjekten machen oder nicht auch wieder objektivieren, etwa durch unser Mitleid. Wirkliche antirassistische Arbeit ist erst dann gegeben, wenn man farbenblind ist.

daStandard.at: Das wäre aber ein Verleugnen gesellschaftlicher Realitäten. Die Welt ist nicht einfarbig.

Schuberth: Natürlich kann man das nicht verleugnen. Was aber unter den Teppich gekehrt wird, sind die sozialpolitischen Konflikte, die wesentlicher sind. Oft werden sie in falsche Kanäle geleitet. Die Rechten versuchen das auf einer kulturellen Ebene zu thematisieren. Wir sind oft so naiv und fallen auf den Referenzrahmen der Rechten rein und kommen dann auch mit der Kultur daher ...

daStandard.at: Wenn die kulturell "anders" markierte Branka dafür verantwortlich ist, dass Mag.a Moser in den Wahnsinn driftet, steht am Schluss aber wieder die böse Ausländerin.

Kislal: Es gibt einfach Probleme, die wir nicht negieren können. Es ist eine falsche Form von political correctness, immer von „lieben Ausländern" zu sprechen und nur solche zu zeigen. Am Schluss ist der Mensch Branka auf ihren eigenen Vorteil bedacht. Unabhängig davon, ob sie Migrantin ist oder nicht.

daStandard.at: So gegensätzlich wie Branka und Mag.a Moser sind auch die im Stück vorkommenden Putzmittel, die eine wichtige Rolle spielen. Einerseits gibt es Captain Clean und die gleichnamige Figur, die beim Lesen stark an FPÖ-Comics erinnert. Auf der anderen Seite steht das Putzmittel "Grüner Baum". Putzmittel als Chiffre für politische Positionen?

Kișlal: Captain Clean ist eine machistische Figur, die Dreck jeglicher Art gnadenlos wegätzt und darüber urteilt, was gut und sauber ist. Grüner Baum tritt hingegen mit dem Dreck in Kontakt und fördert die guten Keime, wie es an einer Stelle im Stück heißt. Die politischen Positionen dahinter sind ganz eindeutig.

Schuberth: Captain Clean ist eine grotesk überzeichnete Chiffre für die gesamte Rechte, für den Rechtsdrall in Österreich und ganz Europa. Er ist ein dämonischer Verführer, auf den viele hineinfallen.

daStandard.at: Auch Mag.a Moser.

Kișlal: Ja. Wenn sie sich von dem ganzen Dreck, den sie so panisch meidet, befreit und ihr wahres Ich findet, landet sie letzten Endes bei Captain Clean – und nicht bei Grüner Baum.

daStandard.at: Branka ist als Außenseiterin markiert: Sie spricht "Tschuschendeutsch". Wieso?

Schuberth: Ich glaube, dass dieser Jargon sozialrealistisch ist. Die Leute reden einfach so. Branka spricht keine stilisierte Sprache, sondern etwas patschertes Jugodeutsch, was natürlich den Kontrast zwischen ihr und Frau Mag.a Moser noch stärker hervorkehren soll.

daStandard.at: Wieso wird dieses "patscherte Jugodeutsch" dann nicht konsequent durchgehalten? Am Schluss wird ja ...

Kișlal: Nicht verraten, was am Schluss passiert!

daStandard.at: Das sollen die Leute im Theater selbst sehen, klar.

Kișlal: Das auch. Aber Richard kennt den neuen Schluss noch nicht. (Meri Disoski, daStandard.at, 13. Mai 2011)