Graz - Der österreichische Standort des US-Chemiekonzerns Cytec wackelt. In der Cytek-Forschungsstätte in Graz stehen Kündigungen an, die Produktionsstätte in Werndorf nahe bei Graz soll ebenfalls einem harten Sparkurs unterzogen werden. Betroffen sind in Summe 440 Mitarbeiter.

Das von der US-Konzernspitze verordnete betriebswirtschaftliche Straffungsprogramm soll weltweit durchgezogen werden und bezieht auch alle europäischen Standorte mit den insgesamt rund 1900 Mitarbeitern ein.

Vor einem Jahr wurde der steirische Standort des US-Konzerns Cytec Industries Inc. - der in Europa die ehemalige Kunstharzsparte von Hoechst aufgekauft hatte - als besonders gesundes Unternehmen mit einem Gütesiegel für betriebliche Gesundheitsförderung ausgezeichnet. Betriebswirtschaftlich aber ist das Unternehmen - speziell die Kunstharzsparte - weder fit noch besonders rentabel, sagt zumindest die US-Konzernleitung und verordnet Cytec Industries mit seinen rund 6000 Mitarbeitern jetzt eine Radikaldiät. Besonders hart trifft es das Unternehmen in Graz mit seinen 170 F&E-Experten - das europäische Herzstück der Forschung und Entwicklung.

60 Labormitarbeiter werden heute, Freitag, beim Arbeitsmarktservice (AMS) angemeldet. Sie stehen zur Kündigung an. Das bestätigte am Donnerstag die Österreich-Geschäftführerin und Cytek-Personalchefin Europas, Andrea Müller im Gespräch mit dem Standard. Müller: "Es wird weltweit im Konzern strategische Umstrukturierungen geben. Wir müssen unsere Leistungsstärke steigern, um in Zukunft auf dem Markt bestehen zu können."

Ganze Standorte gefährdet

Die Belegschaftsvertretung befürchtet, dass der genau gegenteilige Effekt eintreten werde und ganze Standorte gefährdet seien. Als "besonders bitter" beurteilt der Cytek-Europa-Betriebsratsvorsitzende Michael Gobec im Gespräch mit dem Standard den Umstand, dass die Unternehmenssparte der Kunstharze nach wie vor hochprofitabel sei. Gobec: "Die Konzernleitung will aber zweistellige Umsatzrenditen sehen. Das ist aber in diesem Segment nicht möglich. Sie übersehen, dass sie mit den Kürzungen das Unternehmen völlig ruinieren." Jetzt will die Belegschaftsvertretung europaweit gegen die Kürzungspläne mobilmachen.

Cytec Austria hat eine bewegte Unternehmergeschichte hinter sich. Vor 60 Jahren als Vianova gegründet, brachte das Unternehmen ein sehr erfolgreiches Produkt eines wasserlöslichen Bindemittels auf den Markt. 1968 wurde Vianova an die Hoechst, die sich alle Kunstharzbetriebe Europas einverleibt hatte, verkauft. Nach einem kurzen Zwischenspiel mit der Deutschen Bank als Eigentümerin wurde Vianova an die US-Firma Solutia, die insolvent wurde, verscherbelt.

UCB, ein belgischer Pharmakonzern kaufte billig auf und gab es 2005 an Cytek zum doppelten Preis (1,2 Mrd. Euro) ab.(Walter Müller, DER STANDARD, Print-Ausgabe, 13.5.2011)