Sicher wird einigen missfallen, dass John Demjanjuk auch nach dem Schuldspruch gegen ihn nicht mehr ins Gefängnis muss. Schließlich ist er wegen Beihilfe zum Mord an unzähligen Juden im Vernichtungslager Sobibór zu fünf Jahren Haft verurteilt worden.

Doch es ging in diesem wohl letzten großen NS-Prozess nicht vorrangig darum, ob ein 91-jähriger, gebrechlicher Greis für seine Schandtaten noch einmal weggesperrt werden muss. Es ging nicht um plumpe Rache, sondern um Rechtsprechung. Und diese wurde hergestellt.

Die deutsche Justiz hat sich diesmal (im Gegensatz zu vielen Prozessen der Fünfziger- und Sechzigerjahre ) nicht beirren lassen und damit wichtige Botschaften vermittelt. Erstens: Massenmord an Juden verjährt nicht und wird auch mehr als 60 Jahre nach dem Verbrechen noch geahndet. Das Gericht zog eben keinen Schlussstrich, nach dem Motto: Ist ja schon so lange her und Demjanjuk ist ohnehin schon so betagt und gebrechlich.

Zweitens: Auch gegen vergleichsweise kleine Rädchen wird vorgegangen. Nicht nur jene, die in der NS-Befehlskette ganz oben saßen, müssen mit Ermittlungen rechnen. Wer mitmachte, machte sich auch schuldig.

Bitter ist allerdings, dass diese Erkenntnis sehr, sehr spät kommt. So spät, dass NS-Verbrechen kaum noch geahndet werden können. Dennoch: Das Demjanjuk-Urteil schafft ein Stück Rechtsfrieden. (Birgit Baumann, STANDARD-Printausgabe, 13.5.2011)