Italiens Wirtschafts- und Finanzminister Giulio Tremonti atmet auf. Denn dem Gouverneur der Banca d'Italia, Mario Draghi, steht der Weg an die Spitze der Europäischen Zentralbank (EZB) offen. Tremonti freut sich nicht etwa, weil er künftig in Frankfurt einen Verbündeten hat, sondern weil er in Italien einen seiner schärfsten Kritiker los wäre.

Draghi nimmt sich nie ein Blatt vor den Mund. Er drängt seit einem Jahr auf Reformen. Er fordert auch einen Nachtragshaushalt und bezeichnet Italiens Wirtschaftswachstum als zu gering, um die Schulden abzubauen.

Seit dem Jahr 2006 sitzt Draghi - ehemaliger Vizepräsident der Investmentbank Goldman Sachs in London - nun der Banca d'Italia als Gouverneur vor. Als Vorsitzender des Financial Stability Board (FSB) pflegt der 63-Jährige exzellente Kontakte zu den Regierungen der wichtigsten Industrienationen. Durch sein profundes Wissen im Finanz- und Bankensektor, vor allem aber auch im "Public Debit Management", beeindruckt er Kollegen und Regierungschefs. Über seine Qualifikation als Finanzmarktaufseher besteht kein Zweifel.

Der 1947 in Rom als Sohn eines Funktionärs der italienischen Notenbank geborene Finanzexperte hat nach dem Abschluss seines Wirtschaftsstudiums an der römischen Universität La Sapienza im Jahr 1976 an der US-Universität MIT (Massachusetts Institute of Technology) promoviert. Nach einer mehrjährigen Tätigkeit als Executive Director der Weltbank und als Dozent an der Harvard University lehrte Draghi von 1981 bis 1991 Volkswirtschaftslehre an der Florentiner Universität.

Seinen Spitznamen "Super-Mario" erhielt der eher öffentlichkeitsscheue Bücherwurm Draghi bei Goldman Sachs in London. Bei der Banca d'Italia hat sich Draghi vor allem das Verdienst erworben, das durch seinen Vorgänger Antonio Fazio etwas angeschlagene Image der römischen Zentralbank wieder aufzupolieren. Nun muss er in Frankfurt das Image Italiens aufpolieren. Das ist keine einfache Aufgabe. Und er muss das Vertrauen in den Euro stärken. Auch das ist schwierig. Allerdings hat er bereits erklärt, dass für ihn eine Exitstrategie aus den hohen Haushaltsdefiziten in der EU unbedingte Priorität habe. Zweifellos wird seine Stabilitätsstrategie dem Euro zugute kommen.

Privates ist über Draghi wenig in Erfahrung zu bringen. Nur so viel: Er ist verheiratet und Vater zweier Kinder. (Thesy Kness-Bastaroli, DER STANDARD, Print-Ausgabe, 13.5.2011)