Berlin - Die deutsche Wirtschaft hat die Krise abgehakt: Sie wuchs im ersten Quartal mit 1,5 Prozent fast viermal so schnell wie am Jahresende 2010 mit 0,4 Prozent. "Damit wurde das Vorkrisenniveau von 2008 bereits jetzt wieder erreicht", teilte das Statistische Bundesamt am Freitag mit. Dafür sorgte vor allem der brummende Binnenmarkt: Investitionen und Konsum schoben die Konjunktur kräftiger an als die Exporte. Experten rechnen nun damit, dass die Wirtschaft in diesem Jahr zum zweiten Mal in Folge mit mehr als drei Prozent wächst. Das hat es seit der Wiedervereinigung noch nie gegeben.

Das Wachstum übertraf selbst die optimistischsten Erwartungen. Die 38 von Reuters befragten Analysten hatten im Schnitt nur ein Plus von 0,9 Prozent im Vergleich zum Vorquartal erwartet, wobei die Prognosen von 0,4 bis 1,3 Prozent reichten. Verglichen mit dem Vorjahreszeitraum gab es mit 5,2 Prozent sogar das stärkste Wachstum seit der Wiedervereinigung. "Deutschland ist der Wachstumsmotor unter den Industrieländern - und das nicht nur in Europa", sagte der neue Wirtschaftsminister Philipp Rösler.

Analysten sehen das ähnlich. "Deutschland bewegt sich auf ein zweites Wirtschaftswunder zu", sagte Carsten Brzeski von ING. "Wir sind sehr schnell aus der Krise des Jahres 2009 herausgekommen - unerwartet schnell, unerwartet kräftig", sagte der Chef der Wirtschaftsweisen, Wolfgang Franz, in der ARD. "Und so geht es in diesem Jahr weiter."

Getragen wurde der Boom von Jänner bis März vor allem von der Binnenwirtschaft. "Sowohl die Investitionen in Ausrüstungen und in Bauten als auch die Konsumausgaben konnten zum Teil deutlich zulegen", hieß es. Die Baubranche profitierte dabei von Nachholeffekten, weil am Jahresende viele Arbeiten wegen Schnee und Frost liegen geblieben waren. "Die Expansion von Exporten und Importen setzte sich ebenfalls fort", schrieben die Statistiker. Der Außenhandel habe aber weniger zum Wachstum beigetragen als die Binnenwirtschaft. Details wollen die Statistiker am 24. Mai nennen.

Auch Frankreich startete schwungvoll ins Jahr: Die Wirtschaft des wichtigsten deutschen Exportkunden zog mit 1,0 Prozent ebenfalls überraschend stark an, nachdem es am Jahresende nur zu einem Plus von 0,3 Prozent gereicht hatte. "Der Kern der Euro-Zone bleibt der Anker für die gesamte Währungsunion", sagte Christian Schulz von der Berenberg Bank. "Die Krise in den Peripherieländern hat bisher keine Auswirkungen."

Die meisten Experten erwarten jetzt das zweite Jahr in Folge ein Wachstum von mehr als drei Prozent. "Ein in der gesamtdeutschen Geschichte einmaliges Ereignis", sagte DekaBank-Experte Andreas Scheuerle. 2010 hatte es mit 3,6 Prozent den stärksten Zuwachs seit der Wiedervereinigung gegeben. Dem war 2009 wegen der Finanzkrise allerdings auch mit 4,7 Prozent der schwerste Einbruch seit rund 60 Jahren vorausgegangen.

Allerdings dürfte die deutsche Wirtschaft ihren Wachstumshöhepunkt überschritten haben. Die von Reuters befragten Analysten rechnen bis Ende 2012 nur noch mit einem durchschnittlichen Quartalszuwachs von 0,5 Prozent. "Deutschland wird auch in den kommenden Jahren kräftiger wachsen als der Rest des Euro-Raums", sagte Commerzbank-Chefvolkswirt Jörg Krämer. Deutschland profitiere von einer laxen Geldpolitik der Europäischen Zentralbank (EZB), die aus Rücksicht auf die Krisenländer ihren Leitzins niedrig hält. (APA/Reuters)