Bei Gesundheitsfachmedien herrscht eine für öster- reichische Verhältnisse verblüffende Vielfalt. Mehr als 200 listet das Pressehandbuch auf. Doch der Markt ist auch hier konzentriert.

Foto: Standard/Matthias Cremer

Sitzen ein Journalist und ein Pharmamanager im Café. Sagt der Manager zum Journalisten: "Ich würde Sie ja gern auf den Kaffee einladen, aber ich darf nicht - Sie wissen: Ehrenkodex."

Kein Witz. Die neue Ehrlichkeit der Pharmabranche ist Realität. Marketingsünden wie Einladungen und Ärztegeschenke gehören weitgehend der Vergangenheit an. Mit selbst verordneten Ehrenkodizes hüllt sich die Industrie in weiße Westen.

Doch längst nicht alle Geschäftsfelder der Gesundheitsindustrie sind von zweifelhaften Praktiken gesäubert. Ein ergiebiges Betätigungsfeld für fragwürdige Marketingmethoden stellen Gratisfachjournale dar, Magazine, die in Arztpraxen flattern und sich ausdrücklich nicht an Patienten richten.

Sie berichten über Forschungen, Therapien, Medikamente, um viel beschäftigten Ärzten aktuelle Entwicklungen in bekömmlichen Häppchen zu servieren. Nur: Hinter den Informationen verbergen sich häufig eindeutige Geschäftsinteressen von Pharmafirma, Verlag und Werbeagentur. Und die werden mitunter recht kühn mit einer klaren Strategie verfolgt: Tarnen und Täuschen.

Darauf weist schon die für österreichische Verhältnisse verblüffende Medienvielfalt hin: Mehr als 200 Gesundheitsfachmedien listet das Pressehandbuch auf.

Österreichs größte Gratisfachzeitschrift für Ärzte, die sich fast ausschließlich durch Anzeigen finanziert, ist laut Auflagenkontrolle Ärzte Exklusiv (53.088), gefolgt von Ärztewoche (17.020) und Ärztemagazin (16.564). Eine Handvoll Verleger teilt sich den Markt auf. Die Big Player sind Ärzteverlagshaus (u. a. Österreichische Ärztezeitung ), Medmedia (u. a. Ärztekrone) und Springer (u. a. Ärztewoche). Zusammen geben sie mehr als 40 Fachjournale heraus.

"Die Verleger arbeiten seriös - im Interesse ihrer Geldgeber", sagt Medizinjournalist Kurt Langbein. Gratismedien finanzieren sich durch Inserate. Bei Medizinjournalen sind die Kunden fast nur Pharmafirmen, denen Laienwerbung für rezeptpflichtige Arzneimittel nicht erlaubt ist. Die Kundschaft zu vergraulen, wird sich jeder Verleger hüten. Damit gehen sie eine unheilige Allianz ein, die kritischen Journalismus von vornherein erschwert.

Wechselwirkungen

Ein Beispiel: Die Werbeagentur Welldone lädt im Mai zum Journalistenworkshop der Initiative "Ganz im Leben" zu Vorträgen über "Wechselwirkungen zwischen seelischer und körperlicher Gesundheit". Die Initiative wird von einem US-Pharmakonzern finanziert, ist aber nach eigenen Angaben auf der Homepage "vollkommen unabhängig". Der Pharmakonzern stellt ein Schizophrenie-Medikament her, das zuletzt vermehrt kritisiert wurde. Zufall, dass ausgerechnet jetzt eine Kampagne startet?

Ähnlich verfährt Welldone bei onkologischer Rehabilitation. Erst in der dritten Aussendung zum Thema wird klar, worum es wirklich geht: Ein Rehabzentrum dafür "etabliert sich gerade". Recherchen ergaben: Es gehört dem Spitalsbetreiber Vamed. "Disease Mongering" nennt sich das im Fachjargon: "Beworben" wird nicht das Medikament, sondern - subtiler - die Krankheit: Ganz nebenbei stoßen Journalisten auf das erwünschte Gegenmittel.

Die Workshops seien gar nicht für die unmittelbare Verwertung gedacht, sagt Welldone-Chef Robert Riedl. Zudem könne er "nicht beurteilen, wann und wie Journalisten in den jeweiligen Fachjournalen über das Thema onkologische Rehabilitation berichten."

Hier treffen drei Industrien auf ein gemeinsames Interesse: maximale Geschäfte. Pharmafirmen, indem sie Ärzte über ihre Produkte informieren. Verleger, indem sie Anzeigenkunden zufriedenstellen, und Werber, die von beider Interessen profitieren.

Margarete Zupan, Leiterin Professional Media der Ärztewoche: "Ich sage meinen Mitarbeitern oft: Ihr müsst kritisch sein. Aber manchmal passieren Fehler."

Medizinjournalisten in Gratisfachmedien sehen das anders. Sie klagen über Zeitdruck. Aussendungen zu hinterfragen sei deshalb oft nicht möglich - oder gar nicht erwünscht. Gratiszeitschriften raten fast immer zum Medikament, ergaben mehrere Studien. Selbst jene, die erst frisch auf dem Markt sind, würden beworben - mit entsprechenden Auswirkungen auf das Verschreibeverhalten der Ärzte. "Die Verlage führen die Wünsche ihrer Kunden meist mit willfährigem Gehorsam aus", sagt die Medizinjournalistin Elisabeth Tschachler.

Folglich zählen Mitarbeiter ein ganzes Sündenregister an Verstößen gegen journalistische Ethik auf: Trennung zwischen Anzeigen und Redaktion findet so gut wie nicht statt. Redaktionssitzungen werden aus praktischen Gründen im Beisein der Anzeigenabteilung abgehalten.

Inserenten bestimmen

"Die Inserenten bestimmen den Inhalt", sagt ein Mitarbeiter, "wir machen nichts anderes als Mascherln um die Anzeigen." Wer in den Gratisblättern der Fachmagazine schreibe, könne sich "kritischen Journalismus abschminken". Die Abmachung funktioniere so: "Schaltet bei uns, und wir schreiben über das Medikament XY." Wolfgang Maierhofer, Ärztekrone: "Ich würde lügen, würde ich sagen, dass das nie geschehen ist." Für Verleger besonders ergiebig sind so genannte Kampagnenpakete: Der Kunde bestellt drei Anzeigen und zwei redaktionelle (nicht gekennzeichnete) Texte. "Naturalrabatt", nennt das ein Pharmamitarbeiter. In Fachmedien seien solche Deals "üblich".

Bekommt ein Verlag für einen Beitrag Geld, so hat er diesen laut Mediengesetz zu kennzeichnen. In Wirklichkeit sind bezahlte Texte von redaktionellen optisch kaum oder gar nicht zu unterscheiden, und Hinweise mitunter im Kleinstgedruckten zu finden - nicht selten mehrere Seiten vom Artikel entfernt.

Ihre Kunden seien Akademiker, rechtfertigen sich die Verleger: "Die Leser sind nicht so blöd, wie viele glauben", sagt Ärzte Exklusiv-Chef Axel C. Moser. "Wir haben klare Regeln, was Information und was Werbung ist", verweist Pharmig-Chef Jan Oliver Huber auf den Ehrenkodex. Er ist überzeugt, "dass sich am Ende des Tages Qualität durchsetzt".

GSK-Sprecherin Martha Bousek: "Wir bemühen uns, ethisch korrekt vorzugehen." Es sei jedoch schwierig, "ein Image zu ändern, wenn es immer wieder solche Vorfälle gibt." (Doris Priesching, DER STANDARD, Printausgabe, 16.05.2011)