Barbara Heitger (Heitger Consulting), Reinhard Prügl (WU Wien und Zeppelin Universität), Martin Engelberg (Vienna Consulting Group) im Workshop zur Innovation.

Foto: Regina Hendrich

Erschöpfung nach der Krise, gemischt mit einer Art nervösem Erfolg, so beschreibt Beraterin Barbara Heitger die gegenwärtige Stimmung in den Unternehmen. Das passt zum Blick auf die Zahlen - Profite haben überwiegend die Raten von 2008 erreicht, dies allerdings bei wesentlich schlankerer Kosten- und Personalstruktur. Und da soll jetzt permanent Innovatives entstehen - das nervt, so die Hypothese im Workshop Leadership Revisited in dieser Woche im Palais Trauttmansdorff in Wien. Die große Frage: Wie gelangt man von "angenervt" zu lustvoll?

Fünf Gründe

Die Dramaturgie: ein psychoanalytischer und psychodynamischer Blick unter die Oberfläche des Führungsthemas Innovation durch Martin Engelberg (Vienna Consulting Group) plus ein systemisch-organisationaler durch Barbara Heitger. Die Teilnehmer fühlten sich sichtlich passgenau abgeholt, als Reinhard Prügl, Inhaber des Lehrstuhls für Innovation, Technologie und Entrepreneurship an der WU Wien und Professor an der Zeppelin-Universität in Friedrichshafen, fünf Gründe nannte, die Innovation so nervig machen:

  • Führungskräfte stehen enorm unter Druck, für Innovationen zu sorgen, die Produktlebenszyklen werden immer kürzer, jene Unternehmen, die am Markt die Nase vorne haben, verdienen mit Produkten, die jünger als drei Jahre sind - auch im Mittelstand.
  •  Das Entstehen von Neuem ist mit hoher Komplexität verbunden, also nur sehr bedingt planbar, und über weite Strecken ein offener Prozess. Es geht heute auch nicht mehr lediglich um Produkte und Services, Innovation verlangt zumeist Änderung in der strategischen Ausrichtung.
  •  Und es ist stark mit Scheitern verbunden. Investitionen müssen schnell wieder verdient werden. Mut zum Scheitern wird in vielen Unternehmenskulturen noch nicht honoriert - angesichts von Flop-Raten zwischen 30 und 90 Prozent je nach Branche ist er aber unbedingt nötig
  •  Neues ist immer begleitet von Widerständen, durch die zunehmende Einbeziehung auch externer Anspruchsgruppen in Innovationsprozesse kommt auch eine neue interne Widerstandsebene dazu.
  •  Die Herausforderung Innovation passt oft nicht in die Organisationsstruktur - gut zu sehen an den innovativen Flüchtlingen aus der Konzernwelt, die mit ihren Ideen und Umsetzungen eigene Firmen gründen.

Dem Zufall gegenüber offen zu sein, so merklich die Zustimmung im Teilnehmerkreis, widerspricht aber nur allzu oft den vorgegebenen und zu reportierenden Strukturen in Unternehmen.

Invention und Innovation

Aus verschiedenen Beispielen - von Apple bis zum Mittelständler, der aus alten Containern Swimmingpools baute, von Facebook bis zum offen organisierten Mode-Designlabel - stellte Prügl eine Reihe von geglückten Innovationen vor. Zu den gemeinsamen Nennern - so wurde sichtbar - zählt: Sie alle haben Invention (Idee) nicht mit Innovation (Umsetzung) verwechselt. Es wurden Organisationskulturen gefunden, die Freiräume gewähren, die Prozesse wurden so lange betrieben, solange die Energie und Flamme aller Teilnehmer (möglichst divers) brannte. Ob offene Innovation mit Konsumenten oder firmeninterne: Offenheit am Tisch, Zieloffenheit und eine strategische Flexibilität waren immer dabei.

Die Motivationsforschung sagt das schon lange: Ein Bonussäckel für eine Innovation hält die Flamme nicht am Brennen. Ihre Nahrung ist eine andere. Es geht also stark um das Wie - oft ist ja auch das Wie die Innovation, nicht das Was. (kbau/DER STANDARD, Printausgabe, 14./15.5.2011)