"Diyalog: Art from Istanbul": Nilbar Güres schuf im Jahr 2010 den C-Print "Playing With A Water Gun".

Foto: Messe Viennafair/Rampa Istanbul

Warum nicht mal die Katze im Sack kaufen? Am Stand der Mailänder Prometeogallery liegt ein Haufen Päckchen auf dem Boden, die der bulgarische Künstler Ivan Moudov geschickt hat. Wer die Installation Fragments (7000 Euro) erwirbt, kann die darin enthaltenen Kleinobjekte in ein Extraköfferlein betten, so wie es einst Marcel Duchamp mit Miniaturrepliken eigener Kunstwerke tat. Der zusätzliche Clou: Es handelt sich um gestohlene Kleinteile, die Moudov von Installationen anderer Künstler abgezweigt hat.

Auch der Messekonzern Reed wusste nicht recht, was mit den neuen künstlerischen Leitern Georg Schöllhammer und Hedwig Saxenhuber auf die Viennafair zukommen würde. Schließlich haben die Kenner (post-)kommunistischer Kunstszenen nie einen Hehl aus ihrer marktkritischen Haltung gemacht und vornehmlich im Non-Profit-Bereich öffentlicher Institutionen kuratiert.

Beste Viennafair aller Zeiten

Eines vorweg: Die diesjährige Kunstmesse ist keine verkappte Biennale geworden, wie im Vorfeld gemunkelt wurde. Die siebte Auflage entpuppt sich vielmehr als Glückstreffer mit der besten Viennafair, die je dagewesen ist. Das ist freilich nur teilweise das Verdienst der neuen Messemacher. Ihnen spielt einerseits die Kunstmarktkonsolidierung in die Hände, wodurch auch alle Wiener Topgalerien wieder zur Teilnahme bewegt werden konnten. Andererseits ist enorm, wie qualitätsstark sich die ost- und südosteuropäischen Galerien seit dem ersten derartigen Länderfokus 2004 entwickelt haben. Kommt noch der gelungene architektonische Relaunch durch Johannes Porsch hinzu, der den Kästchencharakter der Kojen flexibel aufweicht und entlang einem XL-Hauptgang alternative Präsentationen erlaubt.

Dieser Boulevard hat auch die die boomende Kunstszene Istanbuls zum Schwerpunkt. Unter den vier Galerien vertritt Outlet politisch-kritische Kunst, aber nicht ironiefrei, wie etwa ªener Özmens zwölfteilige Fotoserie Super Moslem (20.000 Euro) beweist. Wer etablierte türkische Positionen sucht, wird bei Rampa fündig, bei der Wandarbeiten von Ayºe Erkmen und ein Triptychon von Ahmet Oran hängen. Die Fotoarbeiten von Nilbar Güreº, die von der letzten Berlin Biennale stammen und weibliche Identitäten augenzwinkernd erkunden, werden ab 11.800 Euro angeboten.

Prämierungswürdig

Zur heurigen Spitzenbeteiligung von 47 CEE-Galerien tragen auch solche aus Kasachstan und Georgien bei. Die kasachischen Künstler Yelena und Viktor Vorobyeva locken bei Tengri-Umai mit einem Red Carpet aus Filz und den kleinen Fotoarbeiten provincial hole, die sicher nicht zufällig an Gordon Matta-Clarks cuttings erinnern. Während in den letzten Jahren vor allem das polnische Kunstwunder hervorstach, beeindrucken heuer besonders die programmatisch dichten Stände rumänischer Galerien wie Plan B, Sabot, Ivan und Andreiana Mihail. Wer nach russischer Kunst sucht, wird bei vier jüngeren Galerien aus Moskau und Sankt Petersburg fündig.

Auch auf den Ständen britischer und deutscher Galerien sind die Geschichtsbearbeitungen einer jüngeren Generation osteuropäischer Künstler präsent, die gerne ins Fantastisch-Unheimliche gleiten. Die Wiener Galeristin Dana Charkasi stellt die raffinierten Collagen politischer Ikonografie des 1973 geborenen Slowaken Svätopluk Mikyta aus und erhielt dafür den Emerging Gallery Prize der Wirtschaftskammer. Der Stand von Hubert Winter, den Lawrence Weiners typische Schriftbilder zieren, wurde ebenfalls prämiert.

Eine tolle Einzelschau hat auch Grita Insam gestaltet, bei der Peter Weibels konzeptuelle Papierarbeiten von 1964 bis 1979 bereits ab 2000 Euro zu haben sind. Zauberhaft kommt der wandlose Stand von Gabriele Senn mit Skulpturen von Tomasz Kowalski daher. Der 1984 geborene Pole scheint das tapfere Schneiderlein zu lieben. Die Viennafair 2011 tut es dem Märchen gleich: Sieben auf einen Streich. (Nicole Scheyerer, DER STANDARD/Album, Printausgabe, 14./15.5.2011)