Steuersenkungen sind in den nächsten Jahren nicht leistbar, darin sind sich derzeit viele Experten einig. Vielfach wird hingegen Änderungsbedarf bei der Abgabenstruktur gesehen - wenn auch die Problemdiagnosen und Maßnahmenvorschläge durchaus differieren.

Orientierung können hier einige neuere Studien aus der Feder von OECD und Europäischer Kommission bieten, die auch angesichts der krisenbedingten Wachstums- und Beschäftigungseinbrüche den Fokus stark auf die Wachstums- und Beschäftigungsfreundlichkeit legen. Die Ökonomen von OECD und Europäischer Kommission haben in letzter Zeit eine Fülle empirischer Studien ausgewertet, aus denen sich einige für die praktische Steuerpolitik höchst relevante Schlussfolgerungen ableiten lassen. So wird zunächst zwar ein gewisser Zusammenhang zwischen der Höhe der Abgabenquote und dem Wirtschaftswachstum festgestellt. Wesentlich eindeutiger stellt sich jedoch der Einfluss der Abgabenstruktur auf Wachstum und Beschäftigung dar. Reformbemühungen sollten daher (aufkommensneutralen) Strukturverbesserungen Priorität geben.

Die Resultate der neueren Literatur legen dabei zwei zentrale Ansatzpunkte nahe. Erstens soll die Gesamtabgabenstruktur verbessert werden: In Österreich konkret durch ein geringeres Gewicht der relativ wachstums- und beschäftigungsschädlichen arbeitsbezogenen Abgaben einerseits und durch die Stärkung von Verbrauchssteuern insbesondere auf den Konsum von Energie, Tabak und Alkohol sowie von Steuern auf Immobilienvermögen und Erbschaften andererseits.

Zweitens sollten bei den einzelnen Steuerarten generell die Steuersätze gesenkt werden, da diese ökonomische Entscheidungen beeinflussen, und im Gegenzug Ausnahmen abgebaut werden. So können etwa vor allem bei Frauen und Geringqualifizierten hohe Steuersätze auf Arbeitseinkommen geringfügige Beschäftigung oder gar den Rückzug vom offiziellen Arbeitsmarkt fördern. Auch hohe Umsatzsteuersätze können die offizielle Beschäftigung dämpfen: Sie wirken im Prinzip wie Steuern auf Arbeitseinkommen, da sie deren Kaufkraft verringern, und sie bieten einen Anreiz zur Erbringung bestimmter Leistungen in Eigenarbeit oder Schwarzarbeit.

Daraus ergibt sich für Österreich Reformbedarf unter anderem bei zwei großen Steuern. Einmal bei der Lohnsteuer, wo vor allem für untere und mittlere Einkommen die Steuersätze gesenkt werden sollten, gegenfinanziert durch die Einschränkung steuerlicher Ausnahmen wie die Begünstigung von Weihnachts- und Urlaubsgeld oder Überstundenzulagen.

Dies würde die Grenzbelastung für niedrige Einkommen, die laut den neuesten OECD-Zahlen mit 56 Prozent den OECD-Durchschnitt weit überschreitet, jener für höhere Einkommen annähern: Hier wird zusätzlich verdientes Einkommen nur mit vierzig Prozent belastet, da Einkommen über der Höchstbeitragsgrundlage nicht sozialbeitragspflichtig sind. Bei der Umsatzsteuer erreicht nach OECD-Berechnungen das Verhältnis aus tatsächlichen zu potenziellen Einnahmen nur sechzig Prozent, wegen der sehr weitreichenden und sozial wenig treffsicheren Anwendung von ermäßigten Steuersätzen. Hier wäre zu erwägen, den Katalog der ermäßigten Güter und Dienstleistungen radikal zu durchforsten und auf Grundbedarf einzuschränken.

Mit den so erzielten erheblichen Mehreinnahmen könnten sozial treffsichere Transfers für geringe Einkommen erhöht und der Regelsteuersatz von zwanzig Prozent gesenkt werden, ebenfalls mit vermutlich positiven Beschäftigungs- und Verteilungseffekten. (DER STANDARD, Print-Ausgabe, 14./15.5.2011)