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Günter Danhel, Leiter des 1973 durch die Österreichische Bischofskonferenz gegründeten Wiener Instituts für Ehe und Familie, fordert ein Wahlrecht für Kinder.

Foto: APA/Patrick Pleul

Je älter die ÖsterreicherInnen im Durchschnitt werden, umso verkrampfter werden die Diskussionen um die Jüngeren im Staat, um Kinder und ihre (vermeintlichen) Interessen. Das zeigt sich dieser Tage wieder, wo in katholisch-konservativen Kreisen die Diskussion um ein neues, familienorientiertes Politikkonzept startet.

Kinder sollen wählen dürfen. Nein, nicht nur was sie gerne essen, anziehen, lesen oder womit sie gerne spielen möchten. Sondern sie sollen ein Wahlrecht bekommen: bei Gemeinderats-, Landtags-, Nationalrats-, vielleicht auch EU-Wahlen: Dieser Vorschlag kommt von Günter Danhel, dem Leiter des 1973 durch die Österreichische Bischofskonferenz gegründeten Wiener Instituts für Ehe und Familie. Bei einer Expertentagung in Stift Lambrecht präsentierte er Pläne zur gesellschaftlichen Aufwertung von Ehe und Familie. Dass diese mit einer politischen Abwertung kinderloser Menschen einhergehen würde, blieb unerwähnt.

Stellvertretend Kreuzerlmachen

Denn Danhel geht es nicht darum, die politischen Meinungen von Volks-, Haupt-, und unter-16-jährigen Mittelschülern in die öffentliche Entscheidungsfindung einzubringen - so diese bei (vor allem kleinen) Kindern überhaupt als solche erfassbar sind. Vielmehr sollen die Eltern von Kindern "bis zu einem noch festzulegenden Alter" (der Kinder) befugt werden, in der Wahlzelle auch stellvertretend für ihren Nachwuchs ein Kreuzerl zu machen. So - meint Danhel - könnte ein familienpolitisches Gegengewicht zu der Vertretung von Senioreninteressen in Österreich entstehen, die rein aufgrund der großen Zahl Betroffener sehr effektiv sei.

Etwas für die Jungen statt für die Pensionisten tun, das klingt im ersten Moment gar nicht schlecht. Das meinte offenbar auch Neo-Innenministerin und ÖAAB-Chefin Johanna Mikl-Leitner, die sich das Kinderwahlrecht laut "Presse"-Interview einmal "anschauen" will. Doch malt man sich die demokratiepolitischen Folgen des Vorschlags aus, ist dringend von ihm abzuraten, - es sei denn, man nimmt in Kauf, dass es künftig WählerInnen erster und zweiter Klasse gibt.

Verdoppelte Famlieninteressen

Erwachsener ohne Kind: eine Stimme für Rot, Schwarz, Blau oder Grün. Erwachsener mit Kind: zwei Stimmen für die präferierte Partei: Die Folge wäre, dass "Familieninteressen" doppelt so viel Einfluss hätten, als es ihrer tatsächlichen Wichtigkeit in der Gesellschaft zukommt. In der Gesellschaft, wie sie ist, in dem jede/m/r ein gleiches Wahlrecht zuzukommen hat, will man demokratische Regeln irgendwie ernst nehmen.

Würde stattdessen zum Beispiel vorgeschlagen, zwecks tieferer Verankerung des Eigentumsbegriffs und zum Schutz aller Besitzenden den Inhabern von Grundstücken über einer gewissen Größe zwei Wahlzettel zuzugestehen: Das Rückwärtsgewandte des Vorschlags läge klar auf der Hand. 19. Jahrhundert, wir kommen! Doch Gleichheit und Gerechtigkeit stehen bei Danhels Ideen ohnehin nicht im Mittelpunkt: Wer für den Unterhalt von Kindern aufkommen muss, soll beim Jobsuchen anderen Bewerbern mit gleicher Qualifikation künftig vorgezogen werden, meint er: neben dem "Kinderwahlrecht" also auch eine "Kinderquote" - und alles nur für die Großen. (Irene Brickner, derStandard.at, 14. Mai 2011)