Wien - Wenn es in den vergangenen zwei Jahren ein Gesicht zur Finanzkrise gab, dann war es jenes von Dominique Strauss-Kahn. Als der Franzose 2007 zum "Managing Director" des Internationalen Währungsfonds (IWF) ernannt wurde, galt die Organisation als abgeschrieben.

Der IWF hatte sich mit zahllosen Interventionen in Afrika, Asien und Lateinamerika diskreditiert. Im Gegenzug für Kredite an Argentinien, Brasilien Tansania und Co hatte der Fonds strikte Privatisierungs- und Liberalisierungsprogramme eingefordert und erhalten. Dabei wurden nicht selten die letzten Reste sozialer Errungenschaften zerschlagen. Die Folge waren politische Unruhen. Das Schlagwort "IMF-riots" machte die Runde.

Wer konnte, mied in den Folgejahren den IWF. Als Strauss-Kahn das Kommando in Washington übernahm, hatte der Fonds Kredite in Höhe von zwei Milliarden Dollar an klamme Staaten vergeben. Eine Kleinbank schafft mehr.

2008 kam der Crash, und das Blatt wendete sich. Im Herbst trafen sich zum ersten Mal die Staats- und Regierungschefs der G-20 in London, um über eine Antwort auf die Krise zu beraten. Strauss-Kahn bot sich und den IWF lautstark an. Am Ende des Gipfels hatte der Franzose von den G-20 Zusagen in Höhe von bis zu 500 Milliarden Dollar (372 Milliarden Euro) in der Tasche. Die Weltbank - die zurückhaltend agierte - ging so gut wie leer aus.

Danach ging es Schlag auf Schlag. Der IWF sprang in Osteuropa (Ungarn, Lettland, Ukraine, Rumänien) und später auch in der Eurozone als Kreditgeber ein. Das Kreditportfolio der Organisation liegt heute bei mehr als 200 Milliarden Dollar. Ohne Strauss-Kahn, seine guten Kontakte in Europa, seine beharrliche Präsenz wäre diese Wiedergeburt nicht möglich gewesen, sagten Insider in Washington über ihn. Der Franzose vollzog auch eine Öffnung der Organisation gegenüber Zivilgesellschaft und Medien. Die Schwellenländer erhielten mehr Stimmrechte.

Eines hat der Franzose freilich nicht zu lösen vermocht: das viel kritisierte Gentlemen's Agreement zwischen Europa und den USA, wonach ein Amerikaner stets die Weltbank und ein Europäer den IWF leitet. Sollte Strauss-Kahn wegen der Vorwürfe abtreten müssen, wird der Kampf um dessen Nachfolge umso erbitteter geführt werden. Schwellenländer wie China, die Türkei und Mexiko drängen in die erste Reihe. Und auch in Europa gibt es genug Interessenten. (szi, DER STANDARD; Print-Ausgabe, 16.5.2011)