Wien - Obacht, Ironiegefahr: Da setzt die Konzerthaus-Dramaturgie doch an den Beginn der über 60 Veranstaltungen umfassenden Festwochenkonzerte (Motto: "Mahler und Amerika") glatt die Bach-Kantate "Ich habe genug". Oder geschah es als Akt der Prophetie? Denn sowohl bei der Kantate (Arie: Schlummert ein, ihr matten Augen) wie auch beim 3. Brandenburgischen Konzert lechzte man nach solistischer Initiativkraft, nach Vitalität etwa vonseiten der Cello- und Kontrabassfraktion, die der Musik zu einem Puls über jenem eines Scheintoten verholfen hätten. Dirigent Daniel Harding: hier eher Dekoration als Dirigent.

Mehr zu koordinieren gab es für Harding dann bei Mahlers 4. Symphonie, und diesen Teil seines Gesamtauftrags erfüllte er mit Bravour. Keck, elastischen Schrittes wanderten die Philharmoniker durch die "Ländlereien" der ersten zwei Sätze, machten beim Beginn des dritten glücklich, um wenig später zum imponierenden Kraftwerk der Klangerzeugung zu mutieren. Vielleicht, dass Harding Mahlers spukhaftem Special-Effects zu vordergründig Raum gab:

So blieb das Unheil nicht im Hintergrund des symphonischen Idylls, so wurde der doppelte Boden der Musik zur hell ausgeleuchteten zweiten Stimmungsebene. Lisa Milne, die bei Mahler folgerichtig die himmlischen Freuden zu genießen hatte, tat dies übrigens mit ihrem sympathisch abgenützten, theatralisch geführten Sopran. (end/ DER STANDARD, Printausgabe, 16.5.2011)