Am Samstag hat Heinz-Christian Strache in der ORF-Radionsendung "Journal zu Gast" gesagt, dass für ihn "selbstverständlich auch Burschenschafter als Minister denkbar" wären. Dass für den FPÖ-Chef auch Burschenschafter ministrabel sind, ist keine Überraschung. Trotzdem: Der Gedanke, dass demnächst auch schlagende Burschenschafter auf der Regierungsbank sitzen könnten, ist äußerst befremdlich. Auf einen Aufschrei aus den Regierungsparteien wartet man jedoch vergeblich. Seit SPÖ und ÖVP Martin Graf zum Dritten Nationalratspräsidenten gemacht haben, hat man sich wohl auch damit abgefunden, dass (schlagende) Burschenschafter unser Land vertreten. Einzig die Grünen melden sich kritisch zu Wort.

Die Regierungsparteien hingegen wollen sich nun offenbar einmal darauf konzentrieren, den "Maulheld" Strache bis zur nächsten Nationalratswahl zu "entzaubern". Wie das gehen soll? Mit Presseaussendungen zum Beispiel. So ließ ÖVP-Generalsekretär Hannes Rauch nach der Sendung wissen: Strache "habe einmal mehr verdeutlicht, dass ihm jegliche Rezepte für die Lösungen der Herausforderungen in Österreich fehlen." Laura Rudas, SPÖ-Bundesgeschäftsführerin, stößt ins selbe Horn: Strache habe "einmal mehr bewiesen, dass er nur ein politischer Maulheld ist, der keine Lösungskompetenz hat". "

Beinahe rührend, wie SPÖ und ÖVP jetzt versuchen, Strache und seine Gefolgschaft wieder im Eck der unwählbaren Schmuddelkinder zu positionieren, nachdem sie bei der letzten Regierungsbildung dafür gesorgt haben, dass auch weit rechts stehende schlagende Burschenschafter in den höchsten politischen Gremien salonfähig wurden.

Am 28. Oktober 2008 wurde Martin Graf mit 83 von 152 gültigen Stimmen zum Dritten Nationalratspräsidenten gemacht. Dem vorangegangen war eine Debatte, ob ein schlagender Burschenschafter überhaupt ein solch hohes Amt bekleiden dürfe. Alexander Van der Bellen stellte sich als Grafs Gegenkandidat zur Wahl. Mit der Berufung auf die "parlamentarische Usance", wonach die drittstärkste Partei das Amt des Dritten Präsidenten erhalte, konnten viele Abgeordnete ihre Wahl mit ihrem Gewissen vereinbaren. Für den damaligen Zweiten Nationalratspräsidenten Michael Spindelegger stand nach einem "langen und intensiven Gespräch" Grafs Wahl "nichts im Weg". SPÖ-Klubobmann Josef Cap forderte von Graf damals eine "Erklärung" in der er sich vom Nationalsozialismus abgrenzen sollte. Damit gab sich  Cap schließlich zufrieden und stellte seiner Fraktion die Wahl frei.

In zwei Jahren endet die Legislaturperiode - ob Martin Graf danach noch ein hohes Amt inne haben wird, wird sich zeigen. Die Hemmschwelle, schlagende Burschenschafter in hohe Positionen zu hieven und dies auch vorab schon einmal anzukündigen ist jedenfalls gesunken. Der historische Einschnitt vom 28. Oktober 2008 lässt sich nicht rückgängig machen, schon gar nicht mit Presseaussendungen aus den Parteizentralen. (Katrin Burgstaller, derStandard.at, 16. Mai 2011)