Minsk - Zwei Tage nach dem Haft-Urteil gegen den weißrussischen Oppositionsführer Andrej Sannikow ist auch seine Frau im Zusammenhang mit den Protesten gegen die Präsidentschaftswahl im Dezember verurteilt worden. Irina Chalip erhielt am Montag eine Gefängnisstrafe von zwei Jahren, die zur Bewährung ausgesetzt wurde. Das Gericht in Minsk hob außerdem den seit Jänner geltenden Hausarrest für die Journalistin auf.

Chalip wurde der Teilnahme an Aktionen, die "die öffentliche Ordnung verletzen", für schuldig befunden, wie ein Reporter aus dem Gerichtssaal berichtete. Die 43-Jährige war gemeinsam mit ihrem Mann Sannikow bei einer Großkundgebung in der Nacht nach den umstrittenen Präsidentschaftswahlen festgenommen und in Polizeigewahrsam geschlagen worden. Sannikow war bei den Wahlen angetreten, die dann aber der seit rund 17 Jahren autoritär regierende Staatschef Alexander Lukaschenko angeblich mit 80 Prozent der Stimmen für sich entschied. Die Opposition sprach von Wahlmanipulation.

Chalip hatte in dem Prozess die ihr vorgeworfenen Taten zurückgewiesen. "Ich bin unschuldig, ich war immer eine gute Journalistin", sagte sie unter Tränen vor Gericht. Chalip arbeitet für die russische Oppositionszeitung "Nowaja Gaseta". Nach dem Urteilsspruch sagte sie vor dem Gerichtsgebäude über die Zeit des Hausarrests: "Mein Sohn und ich wurden wie Geiseln festgehalten, während mein Mann im Gefängnis gefoltert wurde." Sannikow war am Samstag zu fünf Jahren Haft in einem Straflager verurteilt worden.

Chalip, die Mutter eines vier Jahre alten Sohnes ist, kam zunächst auf freien Fuß. In zwei Jahren müsse sie sich erneut dem Gericht stellen, das dann über die Vollstreckung der Strafe entscheiden werde, sagte Chalip nach Medienangaben. Lukaschenko halte Sannikow, der Zweiter bei der Wahl geworden war, und andere Oppositionelle als politische Geiseln, um vom Westen Kredite und Finanzhilfen für deren Freilassung zu erpressen, sagte Chalip. Sie habe in den fünf Monaten ihrer Untersuchungshaft im Gefängnis des Geheimdienstes KGB und unter Hausarrest keinen Kontakt zu ihrem Ehemann gehabt.

"Nowaja Gaseta" kritisierte das Urteil gegen Chalip am Montag scharf. Der Prozess sei "illegal, politisch motiviert und sehr grausam", sagte Chefredakteur Dmitri Muratow dem Sender Moskauer Echo. Die Menschenrechtsorganisation Amnesty International forderte Weißrussland auf, das Urteil zu annullieren. Es gebe keine Beweise dafür, dass Chalip an gewalttätigen Protesten teilgenommen oder die öffentliche Ordnung in irgendeiner Form gestört habe, erklärte die Organisation.

Insgesamt hatten die weißrussischen Sicherheitskräfte Ende Dezember nach der Wiederwahl Lukaschenkos rund 600 Demonstranten festgenommen, mehr als 20 Oppositionelle wurden wegen ihrer Teilnahme an Protesten bereits zu Haftstrafen verurteilt. Die EU, die USA sowie zahlreiche weitere westliche Staaten hatten das Vorgehen der Sicherheitskräfte gegen die Opposition scharf kritisiert.

Nach scharfer Kritik Deutschlands, der EU und der USA an den politischen Schauprozessen in Minsk äußerte erstmals auch Russland öffentlich Zweifel an der Rechtmäßigkeit der Urteile. Auch der Präsident der Parlamentarischen Versammlung (PV) der OSZE (Organisation für Sicherheit und Zusammenarbeit und Europa), Petros Efthymiou, kritisierte in einer Aussendung am Montag die weißrussischen Behörden und sprach von einer "wachsenden politischen Repression". (APA)