Die Schutzkleidung in den Steinbrüchen Indiens und Chinas ist meist unzureichend.

Foto: Südwind

Eine weit verbreitete Krankheit ist daher Silikose - die sogenannte "Staublunge".

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Die Hälfte des nach Österreich importierten Granits stammt aus China, immer mehr Steine werden aus Indien angekauft.

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Die Pflastersteine am Boden oder Brunnen sowie Bänke auf öffentlichen Plätzen: Natursteine sind aus dem Wiener Stadtbild nicht wegzudenken. Auch bei der Denkmalpflege und dem Fassadenbau finden sie Einsatz. Österreich bezieht seit einigen Jahren beinahe die Hälfte des importierten Granits direkt aus China. Zudem kommt fast jeder vierte Grabstein aus Indien, schätzt die Organisation Südwind. Trotz der Transportkosten sind importierte Steine deutlich billiger als heimische. Leidtragende sind die ArbeiterInnen in den Steibrüchen Indiens und Chinas.

Das soll sich nun ändern, denn die niederländische "Arbeitsgruppe Nachhaltiger Naturstein" (WerkGroep Duurzame Natuursteen, kurz WGDN) hat eine neue Zertifizierung für faire Arbeitsbedingungen entwickelt, die noch 2011 angeboten werden soll. Mit diesem einheitlichen europäischen Zertifikat wird westlichen VerarbeiterInnen ein Werkzeug zur Verfügung stehen, um soziale und ökologisch nachhaltige Standards bei der Steinproduktion zu überprüfen. Auch KonsumentInnen haben künftig die Möglichkeit, im Handel die Herkunft und die Arbeitsbedingungen nachzufragen und Steine aus zertifizierter Produktion zu verlangen.

Staublunge und Kinderarbeit

Elisabeth Schinzel von der Südwind-Agentur berichtet über die verheerenden Arbeitsbedingungen: "Die SteinbrucharbeiterInnen leiden unter schwerer körperliche Arbeit, unzureichender Schutzkleidung und mangelhafter medizinischer und sozialer Absicherung: Die Lebenserwartung der Menschen in den Steinbrüchen liegt bei nur 40 Jahren." Das sind knappe 25 Jahre unter dem indischen Durchschnitt.

Die gesundheitlichen Folgen, so Schinzel, zeigen sich zum Beispiel in der weit verbreiteten Krankheit "Silikose", die durch Inhalation und Ablagerung von mineralischem Staub in der Lunge entsteht. Unbehandelt führt sie innerhalb weniger Jahre zum qualvollen Erstickungstod. Krankenversicherungen oder andere Sozialleistungen bekommen die Großteils analphabetischen ArbeiterInnen nicht, da es meist keine Arbeitsverträge gibt - die meisten verdienen als Tagelöhner ihr Geld.

Kinderarbeit sei vor allem in der indischen Steinindustrie ein Thema, berichtet Schinzel, jedoch gebe es bislang nur wenige Zahlen und Studien darüber. Vor drei Jahren schätzte Südwind, dass die eine Million an SteibrucharbeiterInnen zu rund 15 Prozent aus Kindern bestehen. Ein Teufelskreislauf, der bereits aus anderen Branchen bekannt ist: Das Einkommen der Eltern, oft ebenfalls im Steinbruch tätig, reicht nicht aus, um die Familie zu versorgen. Kinder müssen schon sehr früh ebenfalls arbeiten gehen und die Schule abbrechen.

Veränderte Landschaften, zerstörtes Ökosystem

"Die Steingewinnung stellt aber auch eine große Belastung für die Umwelt dar und verändert ganze Landschaften", sagt Frans Papma von der Arbeitsgruppe WGDN. Die Abfallprodukte werden oft einfach nur in der Umgebung abgeladen. Österreich ist zwar "Stein-reich", die Auflagen zur Steingewinnung sind aber sehr hoch - mit ein Grund, wieso importiert wird. Es gebe zwar in einigen Ländern die Vorgabe, brachliegende Minen wieder aufzufüllen, doch wird das selten exekutiert. Papma erklärt wieso: "Die Besitzer der Minen wechseln sich rasch ab, oft kann nicht mehr nachvollzogen werden, wer dafür zuständig ist."

Faire Steine: Runder Tisch in Wien

Die österreichische Initiative "SO:FAIR" für sozial faire Beschaffung veranstaltete im Mai einen Runden Tisch in Hallein, um mit SteinimporteurInnen, verarbeitenden Betrieben, heimischen ProduzentInnen und KundInnen Möglichkeiten des sozial fairen Umgangs mit dem Produkt Stein zu diskutieren. Am Anfang steht die Transparenz bei der Herstellung, die durch das WGDN-Zertifikat sichergestellt werden kann. "Die Produktionskette ist bislang meist sehr schwer nachzuvollziehen", bestätigt Schinzel. Um fairen Standard zu implementieren, werden die Zulieferbetriebe vor Ort durch lokale MitarbeiterInnen mit Trainings und Beratung unterstützt.

Die Befürchtung, dass ein Zertifikat für soziale und ökologische Bedingungen bei der Steingewinnung die Preise anheben wird, teilt Frans Papma nicht: "Wenn ein Unternehmen die Produktion besser kontrollieren kann, steigert das auch die Produktivität." Er räumt ein: "Zunächst ist es sicher eine Investition, die sich aber auszahlen wird - auch finanziell." (Julia Schilly, derStandard.at, 24. Mai 2011)