
Krajetes Verbündete bei Klimazielen sind Einzeller.
Alexander Krajete fühlte sich wie in Stefan Zweigs Sternstunden der Menschheit, als er 2007 einen Artikel in der Fachzeitschrift Chemical and Engineering News bemerkte: In Neuseeland hatte es ein kleines Start-up mit Namen Lanzatech geschafft, in der Stahlindustrie anfallendes Kohlenmono- und -dioxid sinnvoll zu nutzen - Mikroorganismen verwandelten die Abgase in Ethanol und damit in einen wertvollen Energieträger.
Heute lässt Krajete Archeen einen ganz ähnlichen Job machen. Diese frühesten Lebewesen wurden erst vor 30 Jahren in Vulkanen und Mooren entdeckt, und ihr sauerstofffreier Stoffwechsel löst ein gewaltiges Problem: Sie sind ganz hungrig nach dem Treibhausgas CO2 sowie nach Wasserstoff und "verdauen" dies praktischerweise in Form von Methan, dem wichtigsten Bestandteil von Erdgas.
Der Weg dorthin war vor allem ein ständiges Hin und Her zwischen den Disziplinen: Krajete studierte an der Uni Innsbruck allgemeine Chemie und machte 1999 im Bereich Bioanalytik - das ist gewissermaßen der biologischste Zweig der Chemie - sein Diplom. Promoviert hat er dann allerdings in der Organometallchemie, der, wie er sagt, "Hardcore-Disziplin" der Chemie. In den Jahren 2002 bis 2004 stieß er schließlich an der University of California in Berkeley auf einen heiligen Gral der Wissenschaft: die Verwandlung von Methan in Methanol. Mit chemischen Prozessen ist das nicht möglich - das hat ihn wieder auf die Wege der Biologie gebracht: Immerhin gibt es auch Mikroben, die aus Kohlenwasserstoffen Methanol machen. Krajete erkannte, dass es ein Fehler ist, Chemie und Biologie nicht zusammenzudenken, wenn das Problem der CO2-Nutzung gelöst werden soll.
Über seinen ersten Job bei einem Chemiekonzern in Norwegen sagt Krajete: "Das Gute daran war: Ich hatte dort Narrenfreiheit. Ich durfte mich auch mit vielen Ideen ohne unmittelbaren Verwertungszusammenhang beschäftigen." Aber schon damals wunderte er sich, dass es bisher keinen einzigen industriellen Prozess gab, der CO2 als Rohstoff verstand und entsprechend nutzte. Er setzte seine Forschungsarbeit fort und hielt bald darauf einen biologielastigen Vortrag beim staatlichen norwegischen Ölkonzern Statoil. Nach eineinhalb Stunden wurde Krajete allerdings jäh unterbrochen: "Brauchen wir nicht, und geht auch gar nicht", hieß es. Krajete widmete sich wieder verstärkt der Chemie. Damit hätte er aus CO2 Polycarbonate machen können. "Aber wer braucht schon 30 Milliarden Tonnen Kunststoff?", fragte er sich wohl zu Recht.
Durch die Gründungsfinanzierung der Austria Wirtschaftsservice und der Mitgliedschaft im Linzer Hightech Inkubator tech2b konnte er sein Archeen-Projekt fortsetzen. Und mittlerweile darf Krajete von sich behaupten, der Erfinder des biologischen Prozesses zur Stromspeicherung in Form von Erdgas zu sein. Dafür gibt es bereits Patente und zwei Demo-Reaktoren an der TU Wien.
Erst der Faktor der Speicherung bescherte ihm ein Alleinstellungsmerkmal und größeres ökonomisches Interesse an seiner Arbeit. "Das Vertrauen in diese Technologie wird noch wachsen, wenn es eine erste Gemeinde gibt, die sich damit energieautark gemacht hat", glaubt Krajete. Bleibt da Freizeit? "Jede Menge", meint der ökologisch denkende Chemiker, "die meiste Arbeit machen ja die Archeen. Ich hatte vor zwei Wochen sogar Zeit zu heiraten." (Sascha Aumüller /DER STANDARD, Printausgabe, 18.05.2011)